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Январь
2024

Taiwan nach Präsidentenwahl: China muss Ausgang "respektieren"

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Taiwan nach Präsidentenwahl: China muss Ausgang

Nach dem klaren Sieg des Unabhängigkeitsbefürworters Lai Ching-te bei der Präsidentschaftswahl in Taiwan hat die Regierung der Insel den Nachbarn China am Sonntag aufgefordert, den Wahlausgang zu "respektieren". Aus Peking hieß es hingegen, das Wahlergebnis werde die "Wiedervereinigung" Chinas nicht verhindern. Lai kündigte an, die selbstverwaltete Insel weiterhin vor "Drohungen und Einschüchterungen aus China zu schützen".

Der bisherige Vizepräsident Lai hatte die Präsidentschaftswahl vom Samstag klar gewonnen. Der 64-jährige Politiker der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) von Präsidentin Tsai Ing-wen kam auf 40,1 Prozent der Stimmen, sein größter Widersacher Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) erhielt 33,5 Prozent und räumte seine Niederlage ein. Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent.

Mit seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl bescherte Lai seiner DPP eine bisher beispiellose dritte Amtszeit. Im Wahlkampf hatte er angekündigt, den Peking-kritischen Kurs der scheidenden Amtsinhaberin Tsai Ing-wen fortzusetzen, die nach zwei Mandaten nicht mehr antreten durfte. Gleichzeitig präsentierte er sich als Verteidiger der Demokratie in Taiwan.

In einer Siegesrede in Taipeh versprach Lai, die selbstverwaltete Insel weiterhin vor "Drohungen und Einschüchterungen aus China zu schützen". Der 64-Jährige dankte den Wählern für das "neue Kapitel der Demokratie" auf der Insel. Sie hätten allen Versuchen zur Beeinflussung der Wahl widerstanden, sagte er. Auch international werde Taiwan stets "auf der Seite der Demokratie stehen".

Gleichzeitig kündigte der künftige Präsident an, sich weiter für Frieden und Stabilität in der Region einzusetzen. Er werde am Status quo nicht rütteln. Lai tritt sein neues Amt am 20. Mai an.

Peking erklärte in einer Reaktion auf das Wahlergebnis, dieses werde die Wiedervereinigung Chinas nicht verhindern. China werde keine "separatistischen Aktivitäten" auf der Insel dulden, erklärte der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Chen Binhua.

Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll - notfalls mit militärischer Gewalt. China hat in den vergangenen Jahren den militärischen Druck auf Taiwan erhöht, unter anderem mit Militärmanövern, was immer wieder Befürchtungen vor einer möglichen Invasion schürte.

Das Auswärtige Amt in Berlin forderte eine Aufrechterhaltung des Status quo in Taiwan. Eine Änderung dürfe "nur friedlich und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen", erklärte das Ministerium. Es gratulierte "allen Wählerinnen und Wählern, den Kandidatinnen und Kandidaten, die an diesen Wahlen teilgenommen haben, sowie den Gewählten". Ähnlich äußerte sich das französische Außenministerium.

US-Außenminister Antony Blinken gratulierte Lai zum Wahlsieg und lobte das "stabile demokratische System" Taiwans. Washington fühle sich der Wahrung des Friedens und der Stabilität an der Straße von Taiwan verpflichtet, erklärte Blinken.

China verurteilte die Reaktion aus Washington. Diese sende ein völlig falsches Signal an die separatistischen Kräfte der 'Unabhängigkeit Taiwans'", erklärte das Außenministerium. Die Erklärung aus Washington sei ein schwerer Verstoß gegen die Ein-China-Politik, wonach nur Festlandchina offiziell anerkannt wird.

Unerwähnt ließ das chinesische Außenministerium einen erwarteten inoffiziellen Besuch einer US-Delegation. Die unter anderem aus einem früheren Nationalen Sicherheitsberater und einem ehemaligen Vizeaußenminister bestehende Gruppe werde am Montag Gespräche mit "einer Reihe von führenden politischen Persönlichkeiten" führen, erklärte die De-facto-Botschaft der USA in Taipeh.

Es wird erwartet, dass der Besuch der US-Delegation in China auf scharfe Kritik stoßen wird. Als Reaktion auf einen Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan im Jahr 2022 hatte China große Militärübungen um die Insel gestartet.

In Taiwan wurde am Samstag auch ein neues Parlament gewählt. Lais DPP verlor dabei ihre bisherige Mehrheit. Der Wahlkommission zufolge gewann die KMT 52 Sitze, die DPP 51 Sitze und die Taiwanische Volkspartei (TPP) acht Sitze. Zwei Sitze gingen demnach an unabhängige Kandidaten.