"Maischberger": Özdemir will sich bei Verbrenner-Aus nicht festlegen
Maischberger diskutiert die Zukunft der Grünen: Ein Händeschütteln gab es zwischen ihr und Özdemir nicht – aus gutem Grund. In ihrer letzten Sendung in diesem Jahr hat Sandra Maischberger am Mittwoch mit ihren Gästen unter anderem über die Zukunft der Grünen diskutiert. Im Studio begrüßte sie dazu den Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg: Cem Özdemir . Özdemir sei aktuell "der freiste Politiker des Landes", erklärte "Politico"-Journalist Gordon Repinski bei "Maischberger" kurz vor dessen Studio-Auftritt. Der Grund: Der Grünen-Politiker müsse im Wahlkampf vor der Landtagswahl "überhaupt nicht dem grünen Parteiprogramm folgen", weil die Anhänger darauf hoffen, dass die Grünen die Staatskanzlei noch einmal verteidigen. Erst nach der Wahl komme dann die Abrechnung der Parteigenossen, prognostizierte der Journalist. Gäste Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Spitzenkandidat Baden-Württemberg Jan van Aken (Die Linke), Parteivorsitzender Christian Mölling, Politikwissenschaftler Petra Gerster, Moderatorin Susanne Gaschke, Journalistin ("Neue Zürcher Zeitung") Gordon Repinski, Journalist ("Politico") Wie schon sein Vorgänger Winfried Kretschmann , der 2021 das historisch beste Wahlergebnis für die Grünen geholt hatte, gebe sich Özdemir im Wahlkampf "hyperpragmatisch" und "konservativer als mancher konservative Ministerpräsident", analysierte Repinski. Das sei auch der einzige Weg, der seiner Meinung nach zum Erfolg führen könnte. Özdemirs Wahlergebnis werde auch mit entscheidend dafür sein, in welche politische Richtung sich die Bundesgrünen bewegen, so der Journalist. Im Studio angekommen, begrüßte Özdemir Maischberger nicht etwa mit einem Händeschütteln, sondern indem er seine Faust gegen ihre stieß. "Es ist nicht Corona wieder zurück, sondern Sie haben zwei gebrochene Finger", erklärte Maischberger die ungewöhnliche Geste. Er habe Handball gespielt, so Özdemir. Vor provokanten Fragen blieb er dennoch nicht verschont. "Sind Sie überhaupt noch grün?", wollte Maischberger von ihm wissen. Er sei baden-württembergischer Grüner und die seien eben "schon lange etwas anders", erklärte der Spitzenkandidat und nutzte die Gelegenheit auch "zur Ehrenrettung der Bundespartei". Er kritisiere seine Partei ja gerne, aber in entscheidenden Momenten habe sie schon "sehr vernünftig agiert", so Özdemir. Als Beispiele nannte er unter anderem den Beitrag der Grünen zur Änderung der Schuldenbremse und die Tatsache, dass die Grünen den Bau der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 von Anfang an nicht für richtig gehalten haben. Özdemir fordert Einigkeit Deutliche Worte fand er für die aktuelle Regierung: "Wir müssen in Deutschland auch mal Dinge entscheiden – wir stellen ständig Dinge infrage, die wir gestern entschieden haben", so seine Kritik. Das Ergebnis sei ein Dauerstreit und Schaden für den Standort. "Das ist ein Förder-Programm für die AfD , was da gerade aufgeführt wird", so der Grüne. Auch nutze es der AfD, wenn der Bundeskanzler Klimaziele aus dem Koalitionsvertrag infrage stelle, warnte Özdemir. Um in Deutschland Putin-, Trump- und Erdogan-Freunde in der Regierung zu verhindern, müsse man die Parteipolitik beiseitelassen. CSU , CDU , SPD und Grüne sollen zusammen agieren. "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person", so Özdemir. Schwierigkeiten, dem Spitzenkandidaten eine direkte Antwort abzuringen, hatte Maischberger, als es um das geplante Verbrenner-Aus ging. In der EU sollte das eigentlich bis 2035 kommen. Beim letzten Koalitionsausschuss Ende November hatten sich die Spitzen von Union und SPD jedoch darauf geeinigt, sich auf EU-Ebene für Lockerungen einzusetzen. In ihrem Wahlprogramm von 2017 hätten die Grünen eine sogar noch frühere Abschaffung von Verbrenner-Autos für 2030 gefordert, erinnerte Maischberger. Wann das Aus denn nun komme, fragte die Moderatorin und forderte eine Jahreszahl. Man könne die Realität nicht ausblenden und müsse berücksichtigen, ob es die dafür nötigen Voraussetzungen bereits gebe, erklärte Özdemir. "Also nicht 2035?", beharrte Maischberger. "Es ist nicht erreichbar", gestand der Grüne. "Also 2040?", forschte die Moderatorin weiter. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Zuliefererindustrie über Hybrid-Fahrzeuge die Chance habe, das Ziel zu erreichen, wich Özdemir aus und erklärte, er unterstütze die Vorlage des Kanzleramtes. Bundeskanzler Friedrich Merz setzt sich für Ausnahmen ein, vorrangig für Plug-in-Hybride, da reine Elektroautos nicht schnell genug verfügbar sein werden. Özdemir forderte auf diesem Weg auch Zugeständnisse seiner eigenen Partei: Die CDU müsse aufhören, Elektromotoren infrage zu stellen. Die Grünen sollten nicht länger daran zweifeln, ob man beim Verbrenner-Aus flexibel sein kann. Moderatorin findet: Merz' Aussagen sind "Peanuts" Um jüngste Äußerungen des Bundeskanzlers ging es am Mittwochabend auch in anderem Zusammenhang. Merz hatte sich am Dienstag in einer Talkshow hinsichtlich seiner umstrittenen Stadtbild-Aussage selbstkritisch gezeigt und eingeräumt: "Das würde ich heute anders machen ." Ob man Merz als "lernfähig" bezeichnen könne, wollte Maischberger von ihren Kommentator-Gästen wissen. Sie sehe seine Selbstkritik als "sehr positives Zeichen" dafür, dass Merz lernfähig sei, erklärte die Fernsehmoderatorin Petra Gerster. Dennoch habe er in der Vergangenheit gravierende Fehler gemacht, etwa verunglückte Aussagen und die Abstimmung mit der AfD im Wahlkampf. "Verglichen mit Trump ist das alles wirklich Peanuts", stellte Gerster jedoch klar. Merz spitze Aussagen gerne 150-prozentig zu, so die Analyse der "Neue Zürcher Zeitung"-Journalistin Susanne Gaschke. Bei ihm falle der Widerstand jedoch größer aus als bei anderen Spitzenpolitikern. Selbst Vorgänger Olaf Scholz sei glimpflicher davon gekommen. Grund dafür sei, dass Merz im Links-Grünen-Lager als Rechter gelte und seine Äußerungen dementsprechend kritisch betrachtet würden. Merz rudere dann regelmäßig zurück und lerne dazu, bevor es wieder von vorn losgehe.
