VfL Wolfsburg: VW-Klub in der Krise – Simonis vor dem Aus?
Mal wieder läuft beim VfL Wolfsburg nicht viel zusammen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim VW-Klub meilenweit auseinander – auch unter dem neuen Trainer. Die Worte, die Paul Simonis am Dienstabend wählte, waren bezeichnend. "Wir haben wieder ein Spiel mit zu wenig Energie gezeigt", sagte der Trainer des VfL Wolfsburg nach der 0:1-Heimniederlage seiner Mannschaft in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen Zweitligist Holstein Kiel . Der Niederländer, der erst im Sommer als neuer Coach zu den Niedersachsen gewechselt war, legte damit den Finger in die Wunde. Denn das Problem, das Simonis ansprach, ist in Wolfsburg kein neues. Schon die gesamte Spielzeit über hinkt der VfL seinen eigenen Erwartungen hinterher. Das Team schleppt sich mit uninspirierten, biederen Auftritten durch die zweite Jahreshälfte 2025. Leistungstechnisch kommt die Mannschaft nicht im Ansatz an ihre Grenzen. Torwart Marius Müller sprach nach der Partie gegen Kiel, bei der sich nur knapp über 10.000 Fans in der rund 29.000 Plätze fassenden Volkswagen Arena einfanden, gar von gravierenden Einstellungsproblemen im Team. Dazu passt: Selbst beim Auswärtssieg beim Aufsteiger Hamburger SV am vergangenen Wochenende waren die Wolfsburger eigentlich die klar unterlegene Mannschaft, ergatterten die drei Punkte letztlich mit mehr Glück als Verstand. So kommt es, dass der VfL nach acht Partien in der Bundesliga gerade einmal acht Zähler auf dem Konto hat und sich auf Rang zwölf in der Tabelle einsortiert: gepaart mit dem frühen Pokal-Aus ein mehr als unzufriedenstellendes Ergebnis für einen Verein, der sich gerade aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten eigentlich zu Höherem berufen sieht. Das europäische Geschäft soll am Ende einer Saison laut dem öffentlich mal mehr, mal weniger verbalisierten Anspruchsdenken in der Autostadt eigentlich immer herausspringen. Doch dieser Zielvorgabe wird die Mannschaft unter Simonis nicht gerecht – genauso wie schon unter dessen Vorgängern. Nach Glasner hatte niemand mehr Erfolg Champions-League-Fußball gab es in Wolfsburg das letzte Mal vor vier Jahren, weil es Cheftrainer Oliver Glasner in der Saison 2020/2021 gelungen war, den VfL auf Rang vier der Tabelle zu führen. Doch der Coach verließ den Verein kurz darauf im Zwist. So soll es Spannungen mit dem damaligen Sportdirektor Jörg Schmadtke sowie mit einigen Spielern gegeben haben. Josuha Guilavogui, damals Kapitän der Mannschaft, sprach dabei sogar in aller Öffentlichkeit von seinem schlechten Verhältnis zum Österreicher. Er sei "sehr froh, dass er weg ist, weil es für mich persönlich die schlimmste Beziehung war, die ich jemals zu einem Trainer in meiner Laufbahn hatte", so der Franzose über Glasner. In Wolfsburg lag dementsprechend schon zu erfolgreicheren Zeiten vieles im Argen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Glasners Weggang markierte den Beginn der jüngsten sportlichen Talfahrt des VfL. Denn: Während der mittlerweile 51-Jährige zur damals neuen Saison bei Eintracht Frankfurt anheuerte und mit den Hessen die Europa League gewann, flog Wolfsburg in der ersten Runde des DFB-Pokals aufgrund eines Wechselfehlers des neuen Trainers Mark van Bommel beim damaligen Regionalligaklub Preußen Münster raus, stürzte nach einem guten Start auch in der Liga ab. So musste der Ex-Bayern-Star schon nach vier Monaten wieder seinen Hut nehmen. Dem neuen Trainer Florian Kohfeldt gelang es aber ebenfalls nicht, das Ruder nachhaltig herumzureißen. Der frühere Bremer schied mit den "Wölfen" in der Gruppenphase der Champions League aus und führte sie in der Bundesliga lediglich auf Platz zwölf. Im Sommer 2022 übernahm dann Niko Kovač die Geschicke, im März 2024 Ralph Hasenhüttl . Die Ergebnisse unter den beiden Bundesliga-erprobten Trainern: ein achter, ein zwölfter und ein elfter Rang. Für Europa reichte das nie. Im DFB-Pokal war zudem zweimal im Achtelfinale und einmal im Viertelfinale Schluss. Dabei gilt gerade dieser Wettbewerb als gute Möglichkeit für andere Teams als Rekordmeister Bayern München , einen Titel zu gewinnen – und sich damit für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Diese Chance ließ der VfL in den vergangenen Jahren wieder und wieder verstreichen. Simonis angezählt, doch auch die Führungsriege wankt Auch in dieser Saison sieht nicht viel danach aus, dass Wolfsburg im Kampf um Europa eine wichtige Rolle spielt. Die Realität heißt aktuell eher Abstiegskampf. Simonis, der in den Niederlanden die Go Ahead Eagles in der vergangenen Spielzeit sensationell zum Pokalsieg geführt hatte, ist derweil spätestens seit der Blamage am Dienstag gegen Kiel stark angezählt. Wolfsburgs Geschäftsführer Sport Peter Christiansen stellte zwar klar, dass man es mit Simonis "durch diese Periode schaffen" wolle, doch bei einer weiteren Niederlage am Sonntag im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (ab 17.30 Uhr im Liveticker bei t-online) dürfte auch der Däne hinsichtlich der Cheftrainerposition noch einmal ins Grübeln kommen. In den Medien werden bereits Nachfolger für Simonis gehandelt. Ex-Coach Bruno Labbadia gilt als Kandidat. Ob ein neuer Übungsleiter die Lage beim VfL aber wirklich verbessern würde, darf mit Blick auf die jüngere Vergangenheit zumindest bezweifelt werden. Fakt ist nämlich auch: Der Kader des Klubs wurde im Sommer aufwendig umgestaltet – wie auch schon in den Jahren zuvor. Für die Zusammenstellung einer Mannschaft ist aber nicht nur der Trainer, sondern in erster Linie die Führungsriege verantwortlich, beim VfL aktuell Sportdirektor Sebastian Schindzielorz, seit 2023 im Amt, und Christiansen, der im Juli 2024 in Wolfsburg anheuerte. Zuvor hatten über mehrere Jahre Marcel Schäfer und Jörg Schmadtke das Sagen. Seit Glasners Abgang 2021 gab der VfL in diesen Konstellationen, finanziell gestützt vom Klub-Besitzer, dem Volkswagen-Konzern, rund 280 Millionen Euro für neue Spieler aus. In einem zufriedenstellenden Abschneiden in der Liga oder im Pokal schlug sich das aber nachweislich nicht nieder. Die Fehler liegen damit auch klar in der alten und neuen Führungsetage des Vereins. Letztere könnte bei einer anhaltenden Misere ebenfalls bald Geschichte in Wolfsburg sein. Denn bei der aktuellen Negativspirale, aus der sich der Klub offenbar nicht herauszumanövrieren weiß, stellt sich unweigerlich die Frage: Wie lange schauen sich die VW-Bosse das Ganze noch an? Milliardenverluste bei VW: Wird der Europa-Traum unerreichbar? Ohnehin schrillen bei dem Automobilhersteller aktuell sämtliche Alarmglocken. Volkswagen hat im vergangenen Quartal einen operativen Verlust von 1,3 Milliarden Euro hinnehmen müssen. Bis 2017 unterstützte der Konzern den VfL mit einem jährlichen Gesamtpaket von 100 Millionen Euro, reduzierte dieses im Anschluss aber erheblich. Vor der vergangenen Saison erhöhte VW die Geldzuwendungen erstmals wieder von 70 auf 80 Millionen Euro. Im Januar sagte CEO Oliver Blume : "Wir stehen fest zu unserem Engagement beim VfL Wolfsburg. Bei den Frauen, bei den Männern und auch in der Jugend. Der Verein ist wichtiger Bestandteil von Volkswagen." Doch welche Priorität der Klub bei VW wirklich genießt, sollte es im Konzern finanziell weiter bergab gehen und sich gleichzeitig der sportliche Erfolg bei der kostspieligen Herrenabteilung des VfL nicht einstellen, wird sich erst im Extremfall zeigen. Sollte Volkswagen den Gürtel tatsächlich enger schnallen müssen, hätte das langfristig sicherlich auch Auswirkungen auf den Verein. Der Traum, endlich wieder europäisch zu spielen, würde beim VfL Wolfsburg dann womöglich in eine unerreichbare Ferne rücken.
