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AfD in NRW: Streit im Verfahren gegen Skandalpolitiker Esser eskaliert

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Vor einem Jahr löste er einen Riesen-Skandal aus: Der AfD-Politiker Klaus Esser soll unter anderem seinen Lebenslauf gefälscht haben. Doch das parteiinterne Verfahren gegen ihn stockt, und seine Macht hat er ausgebaut. Es ist einer der größten Skandale der AfD in Nordrhein-Westfalen: der Fall Klaus Esser. Der AfD-Landtagsabgeordnete soll seinen Lebenslauf und Abschluss als Jurist gefälscht haben, um sich in der Fraktion einen wichtigen Posten zu verschaffen. Die "Rheinische Post" machte das im August 2024 erstmals öffentlich und titelte: "Karriere offenbar auf Lügen aufgebaut". Esser soll außerdem in seinem Kreisverband Düren Mitglieder aufgenommen haben, die er nicht hätte aufnehmen dürfen. Diese Methode widerspricht klar der Satzung der Partei, immer wieder aber kommt es in der AfD wie auch bei anderen Parteien zu ähnlichen Fällen. In der Regel ist dabei das Ziel, sich durch loyale Neumitglieder Mehrheiten bei Abstimmungen zu verschaffen. Oder: "Stimmvieh generieren", wie es in der AfD heißt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Esser unter anderem wegen Titelmissbrauchs. Auch der NRW-Landesvorstand ist vor mehr als einem Jahr aktiv geworden, um intern aufzuräumen – oder zumindest den Anschein zu erwecken. Er strengte ein Parteiausschlussverfahren gegen Esser an wegen der Zeugnisfälschung sowie der Manipulation von Mitgliederaufnahmen. Der Rauswurf aus der Partei ist die höchste Strafe, die ein Mitglied kassieren kann. In der AfD NRW sind solche Verfahren häufig . Machtkampf in der AfD NRW: Der "weiße Ritter" der AfD strauchelt Wie Recherchen von t-online jetzt aber zeigen, ist es mit dem Aufklärungswillen in dem parteiinternen Verfahren gegen Esser nicht weit bestellt. Erst tat sich zwölf Monate lang so gut wie nichts. Mitte dieser Woche dann versuchte einer der Richter auf nicht zulässige Weise auf einen Vergleich in Essers Sinne hinzuwirken. Nun eskaliert ein Streit um die Richter: Der Prozessbevollmächtigte des Landesvorstands, Fabian Jacobi, hat am Donnerstag gegen zwei Richter des Schiedsgerichts einen Befangenheitsantrag gestellt. Das Schreiben liegt t-online vor. Doch Jacobi hat mit Gegenwind zu rechnen. Der Vorgang zeigt, wie wenig "Rechtsstaat" in manchen Teilen der AfD steckt – und legt exemplarisch offen, warum das oft so ist und bleibt: Esser nämlich ist gerade wegen seiner Methoden ein einflussreicher Strippenzieher hinter den Kulissen, kann Verbündeten Mehrheiten verschaffen oder versagen. In dieser Funktion sei er nicht zuletzt wichtig für Landeschef Martin Vincentz, heißt es von Kritikern aus der Partei. "Esser wird von ganz oben geschützt", heißt es da. Ein Burschenschaftsbruder und ein indirekt Angestellter als Richter Die Vorgänge im Parteischiedsgericht seit Beginn des Verfahrens sind komplex, auch weil die Zuständigkeiten wechselten. Eröffnet wurde das Verfahren zunächst von drei Richtern, im Februar dann wurde es übergeben an die damals neugewählte zweite Kammer. In dieser Kammer saßen zu diesem Zeitpunkt: der Landtagsabgeordnete Hartmut Beucker, Wolfgang Paul und ein ehrenamtlicher Richter, der als einziger kein Jurist ist. Die Kritik lautete schon damals in der Partei: Beucker und Paul seien befangen, dürften das Verfahren gar nicht führen. Denn Beucker ist als Abgeordneter direkter Kollege von Esser und war zudem in derselben Burschenschaft, der Kölner Burschenschaft Germania. Paul hingegen ist Angestellter der Landtagsfraktion, arbeitet also indirekt für ihn und soll Esser nahestehen. Das Rumoren im Landesverband verstärkte sich mit der Zeit, weil in dem Verfahren nichts geschah. Andere Parteiausschlussverfahren wegen geringerer Verstöße würden wesentlich schneller abgeschlossen, hieß es. Schon da keimte der Verdacht auf, das Verfahren solle verschleppt werden. Der Landesvorstand aber griff zunächst nicht ein. Vor gut einer Woche dann wurde das Schiedsgericht umbesetzt: Paul wurde einer anderen Kammer zugeteilt und verlor damit die Zuständigkeit für das Verfahren. Das aber hielt ihn nicht ab, Mitte dieser Woche eine E-Mail an die Richter und die Verfahrensbeteiligten im Fall Esser zu schicken. Die E-Mail liegt t-online vor. Darin folgt Paul einem vorangegangenen Vorschlag von Essers Anwalt und befürwortet einen Vergleich in dem Verfahren. Als Strafe schlägt er eine 16-monatige Ämtersperre für Esser vor, die rückwirkend greifen soll. Das sei eine "zureichende Ahndung hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe". Zudem wäre somit eine "sehr umfassende Beweisaufnahme" hinsichtlich einer möglichen Verjährung hinfällig, schreibt Paul. Beucker und der ehrenamtliche Richter stimmten zu, auch ihre Antworten liegen t-online vor. Es wäre für Esser ein denkbar günstiger Ausgang: der Parteiausschluss wäre vom Tisch und das Verfahren beendet, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Griffe die Ämtersperre rückwirkend, hätte er nur noch sechs Monate abzubüßen. Die Landtagswahl steht in NRW 2027 an – Esser könnte im Vorfeld wieder für alle möglichen Ämter kandidieren. Protest: "Besorgnis der Befangenheit", Vergleich "indiskutabel" Diesmal aber kommt aus dem Landesvorstand Widerspruch, genauer: vom Prozessbevollmächtigten des Landesvorstands, Fabian Jacobi. Der ist Bundestagsabgeordneter der AfD, stellvertretender Landesvorsitzender in NRW, Jurist und tritt bei Parteitagen oft auch als Versammlungsleiter auf. Eine mühselige Aufgabe, für die man sich detailliert mit den Satzungen der Partei auskennen muss. Jacobi erhebt in seiner Mail vom Donnerstag im Auftrag des Landesvorstands vehementen Protest gegen Pauls Ansinnen: Dem Vergleichsvorschlag werde nicht zugestimmt, schreibt Jacobi da. "Die Schiedsrichter Paul und Beucker werden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt." Das Schiedsgericht solle die interne Zuständigkeit endlich regeln. Gefordert werde nun eine Entscheidung durch den Senat, also alle Kammern des Schiedsgerichts, nicht nur von einer. Auf drei Seiten unterfüttert Jacobi seine Argumentation: "Zweifelsfrei" sei Paul mit seinem Ausscheiden aus der zweiten Kammer nicht mehr zuständig für das Verfahren. Er gebe sich also fälschlicherweise als "berichterstattender Schiedsrichter" aus. Es bestehe mit Blick auf Paul wie Beucker die "dringende Besorgnis der Befangenheit": Esser sei "Arbeitgeber des Herrn Paul", Beucker sei Essers Arbeitskollege und als Burschenschaftsbruder "nach den in solchen Verbindungen üblichen Maßgaben dem Antragsgegner (Esser) zu besonderer Solidarität verpflichtet". Jacobi bewertet den Vergleichsvorschlag als "indiskutabel". Essers Taten seien "von einer Art und Schwere, welche die Entfernung aus der Partei zwingend gebieten". Im Landesvorstand dürfte es knallen – mal wieder Dass Jacobi mit seinem Protest für den gesamten Landesvorstand spricht, darf allerdings bezweifelt werden. Im Lager von Parteichef Martin Vincentz sieht man das anders: Der Vergleichsvorschlag von Paul wie Essers Anwalt sei "fair", heißt es da im Gespräch mit t-online. Die Ämtersperre sei immerhin die zweithöchste mögliche Strafe in einem solchen Verfahren. Das Votum von Jacobi als Prozessbevollmächtigtem will man offensichtlich nicht als Antwort des gesamten Vorstands akzeptieren. Hintergrund dürfte hier auch sein, dass in der Partei so mancher von Essers Gunst abhängig ist. Der gilt zwar nicht als fleißiger Abgeordneter, aber als einer der stärksten Strippenzieher im NRW-Verband hinter den Kulissen. Vom "System Esser" ist die Rede, in dem zuhauf bezahlte Arbeitsstellen oder aussichtsreiche Listenplätze in Kommunal- wie Landesgremien an Günstlinge vergeben würden. Es gehe dabei nicht um Können oder Ideologie, sagt einer. "Denen geht es nur ums Geld, um die Sicherung zukünftiger Geldflüsse." Dieses "System Esser" hat die schweren Vorwürfe gegen Klaus Esser offenbar überlebt. Mehr noch: Esser, der 2024 aus dem Partei- wie Fraktionsvorstand NRW freiwillig zurücktrat, habe die Zeit genutzt, um sich noch stärker zu vernetzen, heißt es von Kritikern. "Er hat seine Macht ausgebaut." Wie die Mehrheiten im Landesvorstand im Fall Esser genau liegen, ist nicht klar. Mancher bezweifelt, dass Parteiprominenz wie Vincentz es in der derzeitigen Lage tatsächlich wage, Esser zu offensiv zur Seite zu springen. Zu schwer seien dessen Verfehlungen, zu offensichtlich die Unsauberkeit des Verfahrens. Dem chronisch zerstrittenen Landesvorstand NRW jedenfalls dürfte am Sonntagmittag mal wieder eine hitzige Sitzung bevorstehen.