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Leben in Eisenringen: Grab einer byzantinischen Nonne offenbart extreme Selbstkasteiung

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Forschende haben in Jerusalem das Grab einer Nonne aus byzantinischer Zeit freigelegt. Ihr Körper steckte in Eisenringen, die sie schon zu Lebzeiten getragen hatte. Freiwillig.

Was tut der Mensch nicht alles, um dem Göttlichen nahezukommen. Fälle extremer Askese wie Schmerzübungen sind aus vielen Kulturen und Religionen bekannt. Auch das Christentum kennt Fastenzeiten, Einsiedlertum, Schweigegelübde, in früheren Jahrhunderten auch die Praxis der Geißelung, bei der sich Gläubige den Rücken blutig schlugen, etwa um Buße zu tun oder die Leiden Christi am eigenen Leib nachzuempfinden. Nun hat die Israelische Altertumsbehörde (IAA) eine Entdeckung öffentlich gemacht, die ein eindrückliches Bild von solchen Glaubenspraktiken im Mittelalter zeichnet.

Bei Ausgrabungen eines Klosters aus byzantinischer Zeit rund drei Kilometer nordwestlich der Jerusalemer Altstadt sind die Archäologen und Archäologinnen der IAA schon vor einigen Jahren auf mehrere Gräber gestoßen, die unter dem Hauptaltar der Klosterkirche angelegt worden waren. Der Bestattungsplatz unter der zentralen Tafel der Gemeinde, die an diesem Ort vom 5. bis 7. Jahrhundert blühte, deutet darauf hin, dass die dort beigesetzten Menschen zu Lebzeiten eine besondere Stellung innehatten.

Schwere Eisenringe umschlossen die Gebeine

In einem der drei Gräber unter dem Altar hatte das Ausgrabungsteam ein auf dem Rücken liegendes Skelett gefunden. Vier schwere Eisenringe umschlossen den Hals. Arme und Beine steckten in zahlreichen weiteren Reifen, die meisten zwei Zentimeter dick und zehn Zentimeter im Durchmesser. Auf dem Bauch lagen Metallplatten, die wiederum mit den Ringen verbunden waren. Eine Art Kettenrüstung aus Eisen.

Die Knochen selbst hatten sich allerdings extrem schlecht erhalten. Daher gingen die Forschenden zunächst davon aus, es handele sich um die Bestattung eines Mannes. Denn bisher konnte die Praxis, sich zu Lebzeiten durch Eisengewichte oder Steine zu beschweren, um so Gott zu dienen, archäologisch nur für Männer nachgewiesen werden.

Vorsichtig legt ein Archäologe der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) bei Ausgrabungsarbeiten in Jerusalem ein Skelett aus byzantinischer Zeit frei. Die schweren Eisenringe um Hals, Arme und Beine der etwa 1600 Jahre alten sterblichen Überreste sind bereits gut zu erkennen
© Yoli Schwartz / Israelische Altertumsbehörde

Dabei sind etliche Beschreibungen erhalten, die belegen, dass auch Frauen sich dieser äußerst schmerzhaften Form der Askese unterwarfen. "Theodoret von Kyrrhos beschrieb diese Praktiken in seinem Buch 'Historia Religiosa'", so  Zubair Adawi, der zuständige Ausgrabungsleiter des IAA, in einem Telefoninterview gegenüber der "Times of Israel". Der im 5. Jahrhundert lebende Theologe hat in seinem Werk mehrere Beispiele von Mönchen erwähnt, die Eisenketten trugen, aber auch zwei Frauen, die ihren gesamten Körper, einschließlich Hals, Taille und Gliedmaßen, 42 Jahre lang in Ketten gelegt hätten, so der Experte.

Dann die Sensation: Das Skelett gehört einer Frau

Es war also überhaupt nicht sicher, ob es sich bei dem Skelett in Ketten aus dem byzantinischen Kloster um einen Mann handelt. Erst eine Untersuchung des Zahnschmelzes durch ein Team vom Weizmann-Institut für Wissenschaft schaffte unlängst Klarheit: Das Skelett gehört einer Frau.

Das Grab der Asketin ist der weltweit erste archäologische Nachweis einer derartig harten Glaubenspraxis bei einer christlichen Nonne.

"Die Selbstgeißelung ist in schriftlichen Quellen gut dokumentiert, archäologische Belege dafür sind allerdings selten", so Adawi gegenüber der "Times of Israel". "Neben zwei Beispielen aus der Gegend von Jerusalem wurde bisher nur ein weiterer angeketteter Mönch gefunden, in Ägypten. Obwohl wir aus historischen Quellen wissen, dass sich der Brauch bald weiter verbreitete, auch nach Westeuropa, etwa nach Italien, Frankreich und England."

Sorgfältig dokumentieren Archäologen das Skelett. Erst durch eine Analyse des Zahnschmelzes wird sich zeigen, dass es sich bei der bußfertigen Person in dem Grab um eine Frau gehandelt hat
© Yoli Schwartz / Israelische Altertumsbehörde

Das Skelett der Nonne beweist, dass Frauen den Männern in byzantinischer Zeit in ihrem Glaubenseifer in nichts nachstanden.

Doch wer die Asketin zu Lebzeiten war und warum sie unter dem Altar beigesetzt worden ist, wird vermutlich nie mehr zu klären sein. Womöglich war sie ein Mitglied der Gemeinde vor Ort, eine Gönnerin des Klosters, vielleicht auch eine Pilgerin, wie sie damals zu Tausenden aus ganz Europa nach Jerusalem strömten.

Nur so viel ist sicher: Sie war eine gläubige Christin, die zu Zeiten des Byzantinischen Reichs lebte, in einem Alter zwischen 30 und 60 Jahren in Jerusalem verstarb – und so beigesetzt wurde, wie sie gelebt hatte. In Ketten.