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Pariser Modewoche: Warum haarige Zeiten auf uns zukommen

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Nerz bei Fendi, Shearling bei Miu Miu: Pelz ist der wichtigste Trend im Herbst. Er ist so präsent, dass er dabei fast die neu gefeierte Weiblichkeit auf dem Laufsteg überdeckt.

Mit der Hand greift man in das dicke Fell einer Jacke, die so hellbraun und cremig glänzt wie Karamell. Auf den ersten Blick könnte es kostbarer Nerz sein, doch reibt man über die einzelnen Grannen, fühlen sie sich trocken und spröde an. Ähnlich reagiert auch die Valentino-Mitarbeiterin im Showroom, als man sich bei ihr nach der Herkunft des Fells erkundigt: "Echter Pelz oder Fake Fur?", blafft sie, als hätte man eine unverschämte Frage gestellt. "Das ist Shearling!"

Mit der Modewoche in Paris ist nun der mehrwöchige Schauen-Marathon zu Ende gegangen, und obwohl jede Saison haufenweise neuer Trends auftauchen, sticht im Herbst nur einer heraus: Pelz. 

Shearling – oder auch der politisch korrekte Pelz: Bei Valentino trägt ein Model eine Felljacke in Pelz-Optik
© Alessandro Lucioni/ Courtesy of Valentino

Ob in Mailand oder in Paris – überall sah man dicke Fellmäntel und Accessoires auf dem Laufsteg, die prognostizieren. Scheint so, als lägen haarige Zeiten vor uns. Während Marken wie Fendi, die im Februar ihren 100. Geburtstag feierten, auch weiterhin Nerz und Mink verarbeiten, experimentieren andere Labels mit Fake Fur oder wie bei Valentino mit Shearling. Damit ist bearbeitetes Lamm- oder Schaffell gemeint, das von Nutztieren stammt und manchmal auch mit künstlichen Fasern aufgearbeitet wird. Oft sieht es täuschend echt aus. Shearling ist damit der Pelz fürs gute Gewissen, denn für das Fell werden Tiere nicht zwangsläufig gezüchtet und getötet. 

Plastik statt Pelz? Hauptsache, es wuschelt

Dennoch ist es in diesen Frühlingstagen ein merkwürdiges Bild, wenn bereits die ersten Trendsetter in dicken Grizzly-Mänteln durch die Straßen laufen, egal, ob die Felle echt oder falsch sind. Denn mit ihrem Auftritt suggerieren sie, dass das Tragen von Tierhäuten wieder politisch korrekt ist. War die Modewelt nicht längst einen Schritt weiter? Immerhin verkündeten fast alle Modemarken und Großkonzerne in den letzten Jahren, auf Pelz verzichten zu wollen. Viele Länder verhängten Zuchtverbote, jüngst stieß auch Norwegen dazu. Der US-Bundesstaat Kalifornien geht sogar noch einen Schritt weiter und verbietet die Herstellung und den Verkauf von Mode aus Nerz, Mink und Co. So machte sich das Gefühl breit, in der Modewelt sei Pelz nahezu ausgerottet und selbst das Tragen von Fake Fur ein politisch inkorrektes Zeichen.

Hält nichts von neuem Echtpelz: Hannah Herzsprung bei der Show von Chanel
© Chanel

Doch davon ist nun nichts mehr zu spüren.

"Echten Pelz zu kaufen, käme für mich nie infrage", sagte die deutsche Schauspielerin Hannah Herzsprung ("Vier Minuten", "Babylon Berlin"), die am letzten Tag der Pariser Schauen die Show von Chanel besuchte. Tatsächlich war das Label eines der wenigen, das kein Pelz-Spektakel veranstaltete. Besonders war die Show dennoch, denn mit ihr ging endgültig die Ära Lagerfeld zu Ende. Über 35 Jahre arbeitete der deutsche Designer für Chanel, nach seinem Tod 2019 übernahm seine ehemalige rechte Hand Virginie Viard für weitere fünf Jahre die kreative Leitung. Doch nun rückt ein neuer Designer nach. Im Herbst wird der Belgier Matthieu Blazy seine erste Kollektion für Chanel präsentieren – und alles auf den Kopf stellen. 

Mit Chanels neuem Designer endet die Ära Lagerfeld endgültig

Die letzte Show nach alter Tradition entwarf deshalb das Designteam, das zwar keine bahnbrechende Kollektion präsentierte, dem aber dennoch ein solider Übergang gelang. "Heute wurde noch einmal alles gezeigt, was Chanel ausmacht", sagte Hannah Herzsprung nach der Show zusammenfassend. Auf dem Laufsteg war deshalb viel Tweed zu sehen, der mit feinem Tüll verziert war, üppige Perlen, dicker Strick, ebenso Kleider in Beige wie auch in den typischen Kontrastfarben Schwarz und Weiß. Es gab zudem viele Schleifen und Stoffstreifen, die mal an Pullovern, mal zu Dutzenden an Röcken wippten. Ein großes schwarzes Band schmückte die Kulisse im Grand Palais, das für manche wie ein wehendes Accessoire zum Abschied wirkte.

Auch für Charlotte Casiraghi, Tochter von Prinzessin Caroline von Monaco, war die Show ein emotionaler Moment. "Seit meiner Kindheit ist Chanel für mich präsent, meine Mutter war sehr eng mit Karl Lagerfeld befreundet", so die 38-Jährige. "Am besten aber erinnere ich mich an den Schmuck, denn sie hatte große Boxen mit 'Fantasy Jewellery', so nannten wir Stücke mit unechten Steinen. Damit durfte ich als Kind spielen." 

Zwar freut sich Casiraghi auf Matthieu Blazy, doch hofft sie, dass das Erbe Lagerfelds erhalten bleibt, ebenso das von Coco Chanel. Für sie ist die berühmte Firmengründerin ein Vorbild, vor allem in diesen Zeiten. "Ich denke, es ist wichtig, sich mit starken Frauen zu identifizieren und sie als Vorbild zu haben", sagte Casiraghi. Zurzeit geschehe zu viel in der Welt, das daran erinnere, wie verletzlich die Rechte von Frauen seien.

Kennt die Marke seit Kindheitstagen: Charlotte Casiraghi, 38, bei der Show von Chanel
© Chanel

Neue Weiblichkeit in der Mode

Eine Entwicklung, die auch viele Designer beschäftigte. Zwar wird Pelz der offensichtlich stärkste Trend zum Herbst werden, doch zeigten viele Marken auch starke, feminine Looks. Sie waren nicht aggressiv oder auf plumpe Weise sexy, sondern spielten stattdessen mit besonderen Schnitten und Inszenierungen. Die ungewöhnlichste zeigte sicher Duran Lantink. Der Designer schickte Models mit freizügiger Mode über den Laufsteg, manchen stülpte er auch Silikon-Körper über. So lief Model Mica Arganaraz mit einer künstlichen Männerbrust über den Laufsteg, ein Herrenmodel mit hüpfenden Brüsten. "Es ist wirklich wichtig, neue Dinge herauszufinden und sich nicht zu sehr um die Regeln zu kümmern", sagte der Designer später der "Vogue".  

Fake-Brüste: Designer Duran Lantink experimentiert mit weiblicher Freiheit – und sorgte für den Hingucker der Pariser Schauenwoche
© Agence/ Bestimage

Mit ähnlichem Spirit, aber durchaus anders und angezogener interpretiert, arbeitet auch Chloé-Designerin Chemena Kamali. Sie ließ sich erneut vom Freiheitsgeist der 1960er und 1970er Jahre beeinflussen und zeigte Mode, die auf Blusen mit starker Schulter setzt. Auch sah man bei Stella McCartney Businessanzüge für Frauen, die sie in einer Büro-Kulisse präsentierte und an den Vibe der 1980er Jahre erinnerten. 

Besonders waren auch die Kollektionen von Prada und Miu Miu. Statt ultrakurzer Röcke und Bauchfrei-Tops sah man viele Looks, die mit dem Bild der perfekten Frau spielten. Dafür ließ sich Miuccia Prada erneut von den 1950er Jahren inspirieren und bescherte dem Spitztüten-BH, den viele Models auf dem Laufsteg trugen, ein Comeback. Ihre Kollektion war humorvoll, doch durchaus von der aktuellen Zeit geprägt. "Heute herrscht ein Gefühl von Anspannung, Angst und Furcht. In dieser Saison wollten wir Eleganz aus dem Nichts schaffen – durch den Alltag, durch die direkte Bearbeitung einfacher Stücke", so die Designerin.

Die Fifties lassen grüßen: Bei Miu Miu setze Designerin Miuccia Prada auf Spitz-BHs und Pelz-Stolen aus Shearling-Fell
© MONIC

Wo sind eigentlich die Tierschützer?

Wie gut ihre Kollektion ankam, bewies der ohrenbetäubende Applaus am Ende der Show. Schon jetzt ist sicher, dass im Herbst wieder viele Influencerinnen und modemutige Frauen die Looks von Miu Miu tragen werden und mit ihren Posts bei Instagram und TikTok den Stil der Saison prägen. Blöd nur, dass dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch Miuccia Pradas wichtigstes Accessoire über ihren Schultern hängen wird: Pelzstolen aus Shearling-Fell. 

Stürmten Tierschützer noch bis vor Kurzem die Laufstege vieler Modenschauen, ist es ausgerechnet jetzt still um sie geworden. Dabei wäre ihr Einsatz und lautstarker Protest aktuell mehr als gefragt: Haltung zu zeigen ist allen Trends zum Trotz immer noch das beste Accessoire.