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Oscar-Verleihung: Cynthia Erivo: Oft übersehen, aber nicht zu unterschätzen

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Mit gerade einmal 38 Jahren könnte sie am Wochenende mit dem Gewinn eines Oscars als Beste Hauptdarstellerin Geschichte schreiben. Warum wir Cynthia Erivo nicht unterschätzen sollten.

Emmy, Grammy und Tony Award stehen schon in ihrem Regal. Nur der begehrte Academy Award, der Goldjunge, der Oscar – der fehlt ihr noch zum so begehrten EGOT-Status, den Kunstschaffende dadurch erreichen, dass sie alle vier Awards mindestens einmal gewinnen. Durch ihre Rolle als Elphaba in der Musical-Adaption "Wicked" könnte sich das in der Nacht vom 02. März ändern. Denn dann ist sie als beste Schauspielerin in einer Hauptrolle nominiert: Cynthia Erivo. 

Wie? Sie haben den Namen noch nie gehört, oder kannten ihn zumindest vor "Wicked" nicht? Dann sind Sie damit vermutlich nicht allein. Selbst vielen Medien schien es so zu gehen, als der Cast der Musical-Verfilmung im vergangenen Herbst auf Pressetour war. Neben ihrer Co-Darstellerin Ariana Grande wirkte Erivo selbst bei allen Lobeshymnen über ihre Performance während der gesamten Pressetour oft wie in den Hintergrund gedrängt. Sogar Zeitschriften-Cover über die lange erwartete Verfilmung des Kult-Musicals, das die Vorgeschichte der Hexen aus dem "Zauberer von Oz" erzählt, kommen gänzlich ohne die 38-Jährige aus und zeigen stattdessen nur Grande. In vielen Interviews musste Grande durch subtile Intervention erst dafür sorgen, dass auch Erivo einbezogen wurde.

Besonders deutlich wurde das Ungleichgewicht etwa in einem Interview von "Wicked" Co-Star Jonathan Bailey. Ob er nervös gewesen sei vor einer Musik-Ikone wie Ariana Grande zu singen, fragte der Interviewer. Bailey ergänzt daraufhin, gewohnt charmant, „Ja, und Cynthia“, bevor er zur Beantwortung der Frage überging und holte so auch seine zweite Spielpartnerin elegant mit ins Licht. Doch dass Baileys Ergänzung überhaupt nötig war, steht fast schon sinnbildlich für die Veranstaltungen und den Umgang mit dem Duo in den sozialen Netzwerken und der Berichterstattung. Grande – der große Weltstar – und Erivo oft nur als Nebengedanke. 

Ungleiche Aufmerksamkeit

Und während die einen meinen, dass Grande mehr Aufmerksamkeit bekomme, sei ja nur logisch – immerhin sei sie halt berühmter, so läuft eben das Geschäft – halten andere dagegen. Beide verdienten die gleiche Aufmerksamkeit. Immerhin stünden ihre Rollen gleichberechtigt nebeneinander. Gerade im ersten Teil der Geschichte liegt der Fokus sogar eher auf der von Erivo verkörperten grünen Hexe Elphaba als auf Grandes vermeintlich guter Hexe Glinda. In der Musical-Community ist Erivo sowieso populärer als Grande.

Vielleicht gibt es also eine andere Erklärung für die Ungleichbehandlung der beiden Darstellerinnen in der Öffentlichkeit: Rassismus. Grande ist weiß, Erivo schwarz. Gegenüber der Zeitschrift "Elle" erwähnte Erivo zudem, Diskussionen mitbekommen zu haben, in denen es hieß, sie habe die Rolle nur auf Grund ihrer Hautfarbe bekommen. Sie sei also ein sogenannter "Woke Hire", eine Besetzung, die dem Zeitgeist entgegenkomme.

Doch diesem Vorwurf widerspricht Erivo vehement. "Ich musste vorsprechen wie alle anderen auch. Und ich bin froh darüber, denn ich habe meine Hausaufgaben gemacht", sagt sie. Am Ende habe sie sich im Casting gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Durch ihr Können, sonst nichts.

Es ist nicht das erste Mal, dass gerade in der Filmwelt Vorwürfe von Rassismus laut werden. Schon oft wurde auch ganz konkret die Academy in Kampagnen wie #OscarsSoWhite in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich dafür kritisiert, wie wenig nicht-weiße Künstlerinnen und Künstler bei den Awards überhaupt nominiert sind, geschweige denn, wie wenige am Ende gewinnen. 

Booked and busy

Erivo ist jedenfalls „booked and busy“, ausgebucht und beschäftigt, und beileibe keine Newcomerin mehr, sondern seit Jahren als feste Größe etabliert. Und während Grande vor allem als Pop-Star bekannt ist, genießt Erivo gerade in der Theaterwelt große Anerkennung und Beliebtheit. Ihr Markenzeichen: ihre kraftvolle, Soul geladene Stimme.

Gerade erst konnte Erivo zwei große neue Engagements verkünden. Sie wird die diesjährigen Tony-Awards hosten, die Oscars der Musical-Welt, und im Sommer die Titelrolle in Andrew Lloyd Webbers Hitmusical "Jesus Christ Superstar" verkörpern. Für viele natürlich ein absoluter Skandal, dass eine schwarze und auch noch queere Frau Jesus verkörpern soll.

Dass Erivos Arbeit dabei oft eng verknüpft ist mit Erzählungen rund um rassistische Strukturen, wirkt da fast ironisch. Am Sonntag hat sie nicht das erste Mal die Chance, mit dem Gewinn eines Academy Awards den EGOT-Status zu erreichen. 2020 war sie schon einmal nominiert. Damals für ihre Rolle der schwarzen Freiheitskämpferin Harriet Tubman im Film "Harriet". Für ihre Arbeit im Musical "The Color Purple" gewann sie dann einen Emmy, einen Grammy und einen Tony. Mit "Stand Up" lieferte sie zudem einen bis heute viel genutzten Protestsong.

Die womöglich jüngste EGOT-Gewinnerin jemals

Auch für ihre Figur in der lang erwarteten Verfilmung des Kultmusicals "Wicked" ließe sich eine Verknüpfung argumentieren. Erivo spielt in der Vorgeschichte zum "Zauberer von Oz" Elphaba Thropp. Die „böse“ grüne Hexe des Westens, die vielleicht gar nicht so böse ist, wie der Zauberer von Oz den Bewohnern weismachen möchte.

Doch schon seit ihrer Kindheit macht ihre grüne Hautfarbe sie immer wieder zur Außenseiterin. Eine Geschichte also, von der viele Fans schon seit Jahren sagen, dass sie wie gemacht für eine schwarze Darstellerin ist. Dennoch blieb es bis heute, mehr als 20 Jahre nachdem das Musical seine Premiere am Broadway gefeiert hat, eine Seltenheit, dass die Rolle von einer Person of Color gespielt wird. Umso revolutionärer, dass nun für immer eine schwarze Frau im Film in dieser Rolle verewigt ist.

Ihre eigenen Erfahrungen als Person of Color in die Rolle einfließen zu lassen, war Erivo dabei von Anfang an wichtig. Die sogenannten Microbraids der Hauptfigur etwa wollte sie explizit. "Ich wollte sicherstellen, dass ich in diese Frau einfließe. Ich wollte nicht alles an mir ausradieren", erzählte Erivo in einem Interview.

Erivo war überrascht, wie verbunden sie sich mit Elphaba gefühlt habe. "Oberflächlich betrachtet, sind wir unterschiedlich. Aber ich verstehe gut, wie es sich anfühlt, anders zu sein als alle anderen, nicht hineinzupassen", beschrieb sie gegenüber dem "Guardian" ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Rolle in "Wicked".

Sollte Cynthia Erivo in der Nacht auf Montag übrigens den Oscar als beste Hauptdarstellerin gewinnen, wäre sie damit sogar die jüngste EGOT-Gewinnerin jemals. Auch keiner ihrer männlichen Kollegen hat diesen Meilenstein früher erreicht. Sie wäre darüber hinaus eine von wenigen schwarzen Frauen, die diesen Titel gewinnt. Aus dem Status selbst, mache sie sich gar nicht so viel, erklärte sie kürzlich. "Die Chancen, die der Status mit sich bringt, sind viel wichtiger."