Lars Klingbeil: Führt er die SPD zurück an die Spitze der Politik?
Ein historisch schlechtes Ergebnis zwingt die SPD, nach der Bundestagswahl umzudenken. Jetzt wird ein altbekanntes Gesicht zum Hoffnungsträger der Partei. Nach dem desaströsen Wahlergebnis , das die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten und Noch-Kanzler Olaf Scholz am Sonntag eingefahren hat, war klar: Die Partei muss sich grundlegend erneuern, wenn sie wieder den Status einer Volkspartei beanspruchen will. Am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus beschreibt Scholz das Ergebnis als "bitter" und betont, dass er die Verantwortung dafür übernehmen werde. Zwar bleibt er als einfacher Abgeordneter im Bundestag, doch ein bedeutsames Parteiamt will der 66-Jährige nicht mehr übernehmen. SPD-Co-Vorsitzender Lars Klingbeil kündigt derweil an, aus dem schlechten Wahlergebnis personelle Konsequenzen ziehen zu wollen. Schnell wird jedoch klar: Er meint damit nicht sich selbst, sondern vor allem Olaf Scholz. Klingbeil will nicht nur an der Spitze der SPD bleiben – er strebt nach noch mehr Einfluss. Nachdem der bisherige SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich mit 65 Jahren seinen Rückzug erklärt und in einem Brief an die Fraktion betont, dass nun Jüngere nachfolgen müssten, greift Klingbeil nach der nächsten Machtposition. Am heutigen Mittwoch hat die SPD-Fraktion Klingbeil zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch wer ist dieser altbekannte Hoffnungsträger der SPD – und wofür steht Lars Klingbeil politisch? Steckbrief Lars Klingbeil Beruf: Bundesvorsitzender der SPD, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen und Verteidigungsausschuss, Bundestagsabgeordneter für den Heidekreis und den Landkreis Rotenburg Geburtstag: 23. Februar 1978 Sternzeichen: Fisch Geburtsort: Soltau Familienstand: verheiratet Ausbildung: Studium der Politikwissenschaften, Soziologie und Geschichte Wofür steht Klingbeil politisch? Von 2003 bis 2007 war Lars Klingbeil stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos, die traditionell dem linken Flügel der Partei zugeordnet wird. Nach eigenen Angaben war er vor seiner politischen Karriere auch in einer Antifa-Gruppe aktiv. Seit seinem Einzug in den Bundestag 2009 gehörte er zur Parlamentarischen Linken der SPD. Doch 2015 vollzog er einen überraschenden Kurswechsel: Seitdem ist der heutige Parteivorsitzende Mitglied des "Seeheimer Kreises", der als konservativer Flügel der Sozialdemokraten gilt. Mit seiner Mitgliedschaft im Verteidigungsausschuss setzt sich Lars Klingbeil für eine Erhöhung des Wehretats ein und befürwortet die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Zusätzlich zu seinen offiziellen Parteiämtern ist der ehemalige Wehrdienstverweigerer Mitglied in den Präsidien der Lobbyvereine Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Förderkreis Deutsches Heer. In der aktuellen Debatte über eine verschärfte Migrationspolitik betonte Klingbeil, dass geschlossene Grenzen für die SPD keine Option seien – derartige Maßnahmen würden eine "rote Linie" überschreiten. In der Partei gilt Klingbeil als ein bedachter Brückenbauer und guter Kommunikator. Nach internen Streitereien der Partei 2019 und Umfragewerten von gerade einmal zwölf Prozent nahm sich Klingbeil vor, die Partei wieder zu alter Stärke zurückzuführen. Seine Devise: "Gute Politik braucht Stabilität und Zusammenhalt." Nach dem historisch schlechten Abschneiden der SPD bei der Europawahl mit 13,9 Prozent kündigte Lars Klingbeil eine interne Aufarbeitung des Wahlkampfs an. In einem Interview betonte er, selbst bewiesen zu haben, dass die SPD bei Bundestagswahlen erfolgreich sein könne. Obwohl Generalsekretär Kevin Kühnert für die Kampagne verantwortlich war und sich beide als Freunde bezeichneten, distanzierte sich Klingbeil nach der Niederlage plötzlich von ihm. Kühnert zog sich überraschend im vergangenen Herbst aus der Bundespolitik zurück. Wohin führt Klingbeil die SPD? Die politische Zukunft von Lars Klingbeil hängt maßgeblich von seiner Arbeit in der nächsten Legislaturperiode ab. In einer möglichen Koalition aus Union und SPD unter Kanzler Friedrich Merz , der die CDU nach der Merkel-Ära deutlich nach rechts gerückt hat, dürfte es eine geschwächte SPD nicht leicht haben. Einen großen Trumpf besitzen die Sozialdemokraten jedoch. Merz ist auf die SPD als Koalitionspartner angewiesen, da außer der AfD keine andere Partei rechnerisch für eine Regierungsbildung infrage kommt und Merz die in Teilen rechtsextreme AfD im Vorhinein ausgeschlossen hatte. Damit liegt es an Klingbeil, den Preis für eine Regierungsbeteiligung im Sinne der SPD in die Höhe zu treiben – ohne dabei unter die Räder einer fast doppelt so starken Union zu geraten. Sollte er diese Rolle erfolgreich ausfüllen, könnte ihm eine steile Karriere auf höchster politischer Bühne bevorstehen. Mit seinen 47 Jahren hat er noch viel Zeit. Im vergangenen Sommer ließ er auf die Frage nach einer möglichen Kanzlerkandidatur verlauten: "Ich bin total zufrieden, aber ich kann mir noch mehr vorstellen." Noch ist es nicht so weit – doch vielleicht wird Klingbeil in den Koalitionsverhandlungen die Vizekanzlerschaft anstreben. Ob er 2029 als SPD-Kanzlerkandidat antritt, werden die kommenden Jahre zeigen. Wer ist er abseits der politischen Bühne? Nach seinem Studium und mehreren Auslandsaufenthalten kehrte Lars Klingbeil in seine Heimatstadt Munster zurück. Seit seinem Einzug in den Bundestag pendelt er regelmäßig zwischen seinem Wahlkreis und Berlin . Klingbeil ist leidenschaftlicher Fußballfan und Vereinsmitglied beim FC Bayern . Zudem spielte er in seiner Jugend und darüber hinaus 14 Jahre lang als Gitarrist in einer Punkband. Seine Lieblingsband ist die Rockgruppe Rage Against the Machine.