ru24.pro
World News
Февраль
2025
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
27
28

Echte Demokratie in Deutschland wäre schwer zu haben

0

Von Dagmar Henn

Vielleicht gibt es einfach nicht mehr genug Raum für eine demokratische Entscheidung in Deutschland. Das ist zumindest einer der Schlüsse, die das Ergebnis der Bundestagswahl nahelegt. Zeit, sich einmal Gedanken darüber zu machen, was erforderlich wäre, damit wieder ein realer demokratischer Prozess stattfinden kann.

Dass in der Vorauswahl von Kandidaten durch Parteien ein Problem liegt, ist den meisten noch irgendwie bewusst. In jener längst vergessenen Zeit vor fünfzig Jahren, als Vergleiche von Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Arten parlamentarischer Demokratie (also anderer als der repräsentativen) sogar noch Bestandteil des Unterrichts waren, schnitt eine Aufstellung von Kandidaten durch die Wähler, die sie vertreten sollen, statt durch Parteien, immer besser ab. Wie sehr sich dieses Problem verschärft, wenn die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich längerfristig politisch zu engagieren, zurückgeht, war damals jedoch noch nicht absehbar.

Die unterschiedlichen Chancen von Parteien, die im Interesse der Reichen agieren, und anderen, waren so sehr ein Thema, dass das System der staatlichen Parteienfinanzierung entwickelt wurde, um zu verhindern, dass Großspenden einiger weniger das Ergebnis verzerren können. Wahlkampf ist nämlich vor allem ziemlich teuer, und je weniger aktive Mitglieder zur Verfügung stehen, desto teurer wird er. Damals gab es noch eine SPD als große Mitgliederpartei, die kein Interesse daran hatte, von einer reichlich mit Großspenden ausgestatteten Partei wie der FDP abgehängt zu werden. Eigentlich ein richtiger Ansatz. Das größte Legitimationsproblem einer repräsentativen Demokratie ist nämlich, wie schwer es ist, die Interessen der ärmeren Bevölkerungsmehrheit irgendwie ins Spiel zu bringen. Hier die Voraussetzungen anzugleichen, ist ein wichtiger Schritt; allerdings belegen die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte (und auch die Veränderungen in der sozialen Zusammensetzung der Parteien selbst), dass dieser Schritt nicht genügt.

Neben den Parteien gab es unzählige mitgliederfinanzierte Organisationen, vom Sportverein bis zur Bürgerinitiative. Die Deutschen waren einmal geradezu berüchtigt dafür, Vereine zu gründen. Drei Deutsche sind ein Verein, hieß es. Die Vorstellung von "Zivilgesellschaft", die immer noch verbreitet ist, geht im Kern von derartigen Vereinen aus, deren Mitglieder selbst – demokratisch – über die Tätigkeit entscheiden.

Aber die wirkliche "Zivilgesellschaft" heute besteht nicht mehr aus Vereinen mit vielen Mitgliedern. Sie finanziert sich auch nicht mehr primär über Mitgliedsbeiträge, sondern über Großspenden. Die in den letzten Jahren gerne auch mal mehr oder weniger direkt von staatlichen Stellen stammen können. Gerade im Zusammenhang mit den Zensuraktivitäten lässt sich das besonders deutlich beobachten.

Auch diese Frage ist nicht neu. Die Regelung der Gemeinnützigkeit von Vereinen erfüllte ursprünglich genau die Funktion, die Möglichkeiten, Sonderinteressen einfach mit besonders viel Geld durchzusetzen, einzuschränken. Die Gemeinnützigkeit ist an einen Verzicht auf unmittelbar politische Tätigkeit gekoppelt, und die in der Satzung niedergelegten Handlungsziele werden vor der Eintragung geprüft. Das Ergebnis wäre, würde noch so verfahren, abermals ein gewisser Dämpfer für die gut Betuchten und ein kleiner Vorteil für den mitgliederfinanzierten Verein. Aber das ist alles lange her, und in den vergangenen Jahren wurde auf der einen Seite vielfach offene Lobbytätigkeit als gemeinnützig anerkannt, wenn nur die "richtigen" Stichworte geliefert wurden (ein Beispiel dafür ist die Deutsche Umwelthilfe), und auf der anderen Seite dort Gemeinnützigkeit aberkannt, wo die politische Richtung unwillkommen war, selbst wenn die Vorgaben eingehalten wurden.

Das Problem bei Vereinen oder dem, was so hübsch "Astroturfing" genannt wird, politischer Kunstrasen, ist, dass das Bild, das man sich von der Welt bildet, die einen umgibt, auch aus solchen Quellen gespeist wird. Auch hier gibt es eine Verschiebung. Nachdem überall die Lokalberichterstattung massiv eingeschränkt wurde, finden kleine, örtliche Vereine nur noch schwer einen Weg in die Presse. Strukturen wie die Deutsche Umwelthilfe, bei der auf nur 475 Mitglieder 12.000 Fördermitglieder kommen, die nicht wirklich etwas mitzureden haben, schaffen gerade durch Großspenden auf verschiedenste Weise, sich in den Vordergrund zu drängen, was dann gleichfalls für das von ihnen bearbeitete Thema gilt. Das hat gewaltig dazu beigetragen, soziale Themen weit nach hinten zu schieben und den Eindruck zu vermitteln, Klima und Umwelt seien die wichtigsten Fragen überhaupt. Nicht dass sich das von heute auf morgen durchsetzt; da geht es um Jahrzehnte. Aber die Veränderung ist massiv.

Dabei ist nicht nur die Fiktion gesellschaftlicher Bedeutung das Problem, die in Wirklichkeit – bezogen auf die Zahl der Menschen, die eine Forderung tatsächlich stützen – nicht gegeben ist, sondern die Veränderung, die das im Hinblick auf die Wahrnehmung politischer Prozesse auslöst. Astroturfing entpolitisiert. Mit viel Geld und medialer Macht gestützte künstliche Kampagnen wie "Fridays for Future" verbreiten die Vorstellung, so erfolgreich müsse politische Tätigkeit sein. Wer sich mit diesem Bild im Kopf ins reale politische Leben begibt, in dem schon die Etablierung einer Forderung Jahre in Anspruch nehmen kann (die Durchsetzung der Forderung nach einem Mindestlohn in den Gewerkschaften zum Beispiel dauerte etwa zehn Jahre), ist schnell frustriert und zieht sich wieder zurück.

Gleichzeitig sorgen solche Organisationen, die nicht demokratisch strukturiert sind, sondern straffe Befehlsstrukturen aufweisen, wie Greenpeace, dafür, dass das Verständnis für diese demokratischen Prozesse selbst innerhalb von Parteien sinkt. In der Linken beispielsweise war schon zur Zeit ihrer Gründung ständig die Rede von "Kampagnenfähigkeit". Dabei bestand die Vorstellung, wie eine solche Fähigkeit entsteht, aber nicht darin, die Mitglieder tatsächlich zu überzeugen, sondern in der Verabreichung zentral vorgegebener Argumentationen, die dann von den Mitgliedern wiederholt werden sollten.

Nun, das Thema innerparteiliche Demokratie ist immer schwierig. Aber was macht es mit der Gesellschaft, wenn der Taktgeber der Debatten nicht mehr die tatsächliche Notwendigkeit ist, die sich durch reale Vereinigungen wirklicher Menschen abbildet, sondern ein undurchschaubares Geflecht von künstlichen, nicht von Mitgliedern getragenen Organisationen? Und wenn dann noch dazu die Mitarbeiter der Medien, selbst wenn diese nicht direkt an einem staatlichen oder privaten Tropf hängen, gar keine Vorstellung mehr von den wirklichen Zeitabläufen demokratischer Prozesse haben? Oder die schon so aufgewachsen sind, dass sie die politische Show, wie beispielsweise fünfminütige Fotoproteste irgendwelcher grüner Größen, für das wirkliche politische Leben halten? Und welche Chancen haben dann noch ganz reale Forderungen der nicht wohlhabenden Bevölkerungsmehrheit, sich durchzusetzen, ja, überhaupt noch sichtbar zu werden?

Um hier die Dinge wieder geradezurücken, müsste man Astroturfing-Strukturen unterbinden. Gleichzeitig müsste man dafür sorgen, dass die örtliche Berichterstattung wieder stärker wird, weil nur auf dieser Ebene die Prozesse und ihre Mitwirkenden tatsächlich nachverfolgt werden können. Mit genug Budget und Zeit. Wenn nämlich jede Berichterstattung unter Zeitdruck stattfindet, ist das ein weiterer Moment, der einer Astroturfing-Struktur mit PR-Abteilung, die weiß, wie man der Presse Informationen mundgerecht serviert (nämlich so, dass sie ohne weitere Recherche genutzt werden kann), einen klaren Vorteil gegenüber legitimen Graswurzel-Initiativen verschafft, die genau das eben nicht können, selbst wenn sie ein wichtiges Anliegen vertreten.

Nur – auch die ganze Medienstruktur ist inzwischen bizarr. Nicht nur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der einst gegründet wurde, um eine direkte politische Kontrolle zu verhindern und der "naturgegebenen" Einseitigkeit der kommerziellen Medien etwas entgegenzusetzen, ebendiese Funktion nicht mehr erfüllt, wie sich am Beispiel von Corona überdeutlich zeigte. Selbst die gewöhnliche Tagespresse, die früher zumindest durch die ungefähr 30 Prozent der Einnahmen, die aus dem Verkauf, nicht aus den Anzeigen stammten, eine gewisse Zustimmung ihrer Leserschaft benötigte, ist längst zum Empfänger staatlicher Subventionen geworden. Das, was sich seitdem als alternative Presselandschaft gebildet hat – eine natürliche Reaktion auf ein vorhandenes Bedürfnis –, wird wiederum massiv attackiert und immer weiter mit staatlichen Regularien überzogen, wie im Falle des Magazins Multipolar zu sehen war. Die massiven Löschungen bei Telepolis zeigen, dass sich durch diesen Druck nicht nur die Aussagen in der Gegenwart ändern, sondern sogar die Vergangenheit noch ausgelöscht werden kann.

Wenn die Parteien keine wirklichen politischen Debatten mehr führen, wenn die Menschen fehlen, die bereit sind, sich über Jahre hinweg mit wenig sichtbarem Erfolg zu engagieren, wenn die künstlich geschaffenen Strukturen stets eine weit größere Reichweite haben als die gewachsenen und die "legitimen" Medien so oder so das Gleiche erzählen, woher soll sie dann kommen, die Demokratie? Oder andersherum: Wie ist, ausgehend von derartigen Bedingungen, wieder ein Zustand zu erreichen, der überhaupt erst den Raum bietet, in dem sich Themen und Interessen formieren können?

Man muss nur sehen, auf welche Weise bestimmte Fragen nach oben gespielt werden. Der ganze woke Trans-Hype etwa ist nur deshalb möglich, weil Interessengruppen einer schwindend kleinen gesellschaftlichen Minderheit mit genug Geld ausgestattet werden, um den Eindruck einer überproportionalen Bedeutung zu erwecken. Genau das ist es, nebenbei, was so viel Wut erzeugt und warum derartige Entwicklungen gesellschaftlich zu so viel Unfrieden führen: weil die persönliche Wahrnehmung, dass da schon rein numerisch gar kein nennenswertes Problem ist, mit der medialen und politischen kollidiert, die dank der investierten Mittel daraus ein bedeutendes Thema macht. Nur zum Vergleich: Es gibt wesentlich mehr alleinerziehende Mütter als Trans-wie-auch-immer; aber weil diese eben keine derart massive Förderung erhalten, ist ihre schwierige Lage gesellschaftlich nicht präsent.

Dasselbe passiert mit Armutsrenten oder der Wohnungsfrage. Alles verschwindet hinter den gehypten Themen, sodass der Abstand zwischen Abbild und Wirklichkeit stetig größer wird. Eine demokratische Entscheidung hat aber, egal wo und wann, eine zentrale Voraussetzung: die Verfügbarkeit der nötigen Information. Wenn es diese Information nicht gibt, wird die Entscheidung zur Farce.

Auch das ist nichts Neues. Auf dieser Erkenntnis beruhen beispielsweise sämtliche Auskunftsrechte von Abgeordneten. Aber das Dickicht aus Astroturfing, Medienkontrolle und Zensur ist mittlerweile so dicht, dass man sich fragen muss, auf welcher Grundlage ein deutscher Wähler noch seine Wahl treffen kann, wenn ihm ständig unwichtige Informationen serviert und wichtige vorenthalten werden.

Das, was in den USA gerade im Zusammenhang mit USAID bekannt wird, die direkte Lenkung von Medien und politischen Organisationen nicht nur rund um die Welt, sondern auch in den USA selbst, findet sich in Deutschland gleich mehrfach. Neben der Einflussnahme durch diverse US-Strukturen ist da noch eine Einflussnahme durch die deutschen Gegenstücke, und zuletzt eine weitere über die EU finanzierte (die witzigerweise letztlich vor allem aus deutschen Steuergeldern bezahlt wird). Das Ergebnis ist eine rundum zugemauerte politische Arena, in der grundsätzliche Veränderungen gar nicht mehr vorgesehen sind. Um aber genau diese Strukturen wieder auflösen zu können, um einen politischen Raum wiederherzustellen, in dem tatsächlich die Bürger selbst und nicht äußere Interessen darüber entscheiden, was wann wo und wie geschehen soll, braucht es genau das: eine grundsätzliche Veränderung. Das aktuelle Wahlergebnis zeigt, wie mühsam es sein wird, die Zugänge zu dieser Arena wieder zu öffnen.

Mehr zum Thema Die Rolle der NGOs – oder wie die simulierte Demokratie die reale erdrückt