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Bundestagswahl 2025: FDP-Mann Kuhle fordert Reform für Auslandsdeutsche

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Australien, Brasilien, Südafrika: Drei bis vier Millionen Deutsche leben im Ausland. Auch sie dürfen wählen – zumindest theoretisch. In der Praxis gestaltet sich das für viele unmöglich. FDP-Politiker Kuhle kritisiert das scharf und legt einen Plan vor. Konstantin Kuhle ist guter Laune. Dabei waren die vergangenen Wochen für den FDP-Innenpolitiker sehr stressig; bis zuletzt versuchen die Liberalen, alles zu mobilisieren. Nun glaubt Kuhle aber fest daran, dass die FDP auch im 21. Bundestag vertreten sein wird. Eine Sache aber stört ihn: Dass Tausende Auslandsdeutsche de facto nicht wählen können – aufgrund der kurzen Frist der vorgezogenen Wahl und der Wahlorganisation ( lesen Sie hier die ganze Recherche von t-online ). Selbst dem deutschen Botschafter in London geht es so ( t-online berichtete ). FDP-Mann Kuhle erwartet daher, dass die Wahl beim Verfassungsgericht landet. Dass sie annulliert wird, glaubt er zwar nicht. Dennoch schlägt er im Interview mit t-online zentrale Änderungen beim Wahlrecht vor. Schwachstelle im Wahlsystem? Tausende Deutsche bleiben ausgeschlossen t-online: Herr Kuhle, aktuell bangt die FDP um den Einzug in den Bundestag. Sollten Sie auf Stimmen aus dem Ausland hoffen, dürften Sie wohl enttäuscht werden. Denn Tausende Auslandsdeutsche können de facto nicht wählen. Warum ist das ein Skandal? Konstantin Kuhle: Das betrifft nicht nur die FDP, sondern alle Parteien. Es ist ein Skandal, weil viele Deutsche im Ausland daran gehindert werden, ihr demokratisches Recht wahrzunehmen. Das ist einer Demokratie unwürdig. Wie kann es sein, dass das Wahlrecht von Auslandsdeutschen so stark eingeschränkt ist? Deutschland unterscheidet sich hier von anderen Ländern. Deutschland ist kein klassisches Auswanderungsland mit einer politisch aktiven Diaspora. Anders als etwa Italien oder Frankreich , die spezielle Wahlkreise für ihre Bürger im Ausland haben. Unser Wahlsystem basiert darauf, dass Menschen dort wählen, wo sie zuletzt gemeldet waren. Jede Auslandsdeutsche und jeder Auslandsdeutsche muss die Briefwahlunterlagen in dem Wahlkreis beantragen, in dem sie oder er zuletzt in Deutschland gemeldet war. Diese müssen dann per Post ins Ausland geschickt, dort ausgefüllt und wieder zurückgeschickt werden. Richtig. Das klappt in vielen Fällen, aber wenn – wie jetzt – eine Bundestagswahl vorgezogen wird und nur eine Frist von wenigen Wochen bleibt, ist das schlicht zu kurz. Viele Stimmzettel kommen gar nicht rechtzeitig an oder werden nicht rechtzeitig zurückgeschickt. Das zeigt ein grundsätzliches Problem: Die deutsche Verwaltung ist in diesem Bereich schlecht organisiert. Und es zeigt, dass die Wahl aus dem Ausland für das aktuelle Szenario nicht gut genug organisiert ist. Erwarten Sie, dass es Beschwerden beim Wahlprüfungsausschuss geben wird? Insgesamt ist die Bundestagswahl in Deutschland sehr gut organisiert. Aber mit Sicherheit werden einzelne deutsche Staatsangehörige Einsprüche gegen das Wahlergebnis erheben, deren Stimme nicht gezählt wurde. Diese Einsprüche werden dann vom Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages geprüft. Werden sie verworfen, kann man sich dagegen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht wehren. Die Gültigkeit der Bundestagswahl insgesamt dürfte aber nicht in Gefahr sein. Wieso? Das Gericht wird die Argumente prüfen, aber für eine Wahlannullierung gibt es aus gutem Grund sehr hohe Hürden. Wenn die Wahl bei den allermeisten Bürgern problemlos abläuft, kann das Parlament nicht einfach wegen einzelner kleinerer Wahlfehler aufgelöst werden. Das würde die Stabilität unseres politischen Systems zu stark beeinträchtigen. Außerdem müsste man nachweisen, dass ohne die entsprechenden Fehler eine andere Zusammensetzung des Bundestages erfolgt wäre. Aber unabhängig von der juristischen Frage ist die Wahl für Auslandsdeutsche aktuell ein Skandal, zu dem man sich eines klar machen muss. Und zwar? Diese Probleme hätten vermieden werden können. Es gäbe viel bessere und einfachere Lösungen, um das Wählen für Deutsche im Ausland zu erleichtern. Leider wurde das vom Bundesinnenministerium und vom Auswärtigen Amt verschleppt. Das ist das eigentliche Problem. Das Problem ist nicht, dass es für Auslandsdeutsche kompliziert ist, ihre Stimme abzugeben – es wäre relativ einfach gewesen, das Verfahren zu verbessern. Es war keine unlösbare Herausforderung, sondern eine Frage der Organisation und des politischen Willens. Warum war das politisch nicht gewünscht? Es gibt zwei Faktoren: Erstens die Beharrungstendenz der Verwaltung – es wurde immer so gemacht, also bleibt es so. Die Verwaltung hält an alten Strukturen fest. Zweitens die verkürzten Fristen bei der vorgezogenen Bundestagswahl. Da hat man sich beeilt, aber nicht an die Auslandsdeutschen gedacht. Was hätten Sie vorgeschlagen? Ich halte Auslandswahlkreise derzeit für zu weitgehend. In einem solchen Fall gibt es mehrere Wahlkreise, die etwa einen Kontinent umfassen und einen von den Auslandsdeutschen dort gewählten Abgeordneten ins Parlament schickt. Richtig. Das ist aber sehr kompliziert. Eine einfachere Lösung wäre, dass Deutsche im Ausland ihre Briefwahlunterlagen direkt in den Botschaften oder Konsulaten ausfüllen und gesammelt zurück nach Deutschland senden können. Können Sie das ausführen? Momentan werden die Wahlunterlagen von Deutschland aus ins Ausland geschickt, müssen dort ausgefüllt und wieder zurückgeschickt werden. Das kostet Zeit. Wäre es nicht einfacher, wenn die Unterlagen direkt in den Konsulaten ausgedruckt werden könnten? Das würde das Verfahren erheblich beschleunigen. Man könnte die Briefwahl direkt in den Auslandsvertretungen abhalten oder die ausgefüllten Briefwahlunterlagen an das Konsulat senden. Die gesammelten Stimmen würden dann in einem Paket direkt nach Deutschland geschickt, anstatt dass jeder Wähler individuell Briefe versendet. Klingt logisch. Wo ist der Haken? Es gibt keinen. Womöglich müsste man einen Passus ins Bundeswahlgesetz und in die Bundeswahlordnung aufnehmen, um das Verfahren zu ermöglichen. Aber das wäre eine vergleichsweise kleine Änderung. Könnte es digitale Bedenken geben – etwa die Angst vor Manipulation, wenn Unterlagen elektronisch verschickt werden? Diese Angst halte ich für unbegründet. Schon jetzt haben Konsulate und Botschaften Zugriff auf gesicherte Dokumente und Verfahren. Es gibt also keinen nachvollziehbaren Grund, warum es nicht möglich sein sollte, Stimmzettel in den Konsulaten zu drucken und abzugeben. Es braucht den politischen Willen, das umzusetzen – und genau daran scheitert es bislang. Der Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat im Interview mit t-online vorgeschlagen, die Frist von 60 auf 90 Tage zu verlängern. Was halten Sie davon? Eigentlich leben wir bereits in dieser Realität. Das müssen Sie erklären. Offiziell haben wir zwar 60 Tage Frist bei einer vorgezogenen Bundestagswahl. Aber wenn man sich den Ablauf anschaut, sind es de facto immer 90 oder mehr Tage gewesen. Als Anfang November die Ampelregierung zerbrach, wussten ja alle, dass es Neuwahlen geben würde und konnten sich darauf einstellen. Der Landeswahlleiter hat aber insofern recht: Die Wahlbehörden brauchen mehr Zeit als 60 Tage. Das Problem ist weniger die gesetzliche Frist als die Organisation. Also eine Verfassungsänderung? Oder einfach ein paar zusätzliche Drucker in den Auslandsvertretungen aufstellen. Das wäre deutlich leichter, als die Verfassung anzupassen. Wenn wir schon das gesamte Verfahren verkürzen, sollten wir sicherstellen, dass jeder Wahlberechtigte genügend Zeit hat, seine Stimme abzugeben. Was halten Sie von E-Voting? Ich bin skeptisch. Unser aktuelles Wahlsystem mit Papierstimmzetteln ist überprüfbar. Jeder kann die Auszählung beobachten. Bei einer digitalen Wahl würde das wegfallen. Manipulationen wären schwerer nachzuweisen. Bei einer Papierwahl kann ich einen Stimmzettel mit eigenen Augen sehen und die Auszählung kontrollieren. Bei E-Voting verlasse ich mich darauf, dass der Computer richtig zählt. Deshalb halte ich unser System mit Stift und Zettel für das bessere. Stephan Bröchler sagte weiter, er sieht aktuell keine Partei, die das Wahlrecht für Auslandsdeutsche reformieren will. Auch nicht die FDP, als sie noch Teil der Ampel war. Werden die Liberalen die Reform jetzt angehen? Das ist nicht korrekt. Ich saß für die FDP in der Reformkommission zum Wahlrecht und habe das Thema angesprochen – ebenso wie Kollegen aus anderen Parteien. Der Wille ist definitiv vorhanden. Wenn sich die Parteien darauf verständigen, kann das Problem gelöst werden. Mein Vorschlag ist: Diejenigen, die wirklich etwas ändern wollen setzen sich gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode zusammen. Dann kann eine Änderung des Wahlrechts für Auslandsdeutsche umgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass wir immer erst zwei Wochen vor der Wahl anfangen, darüber nachzudenken. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag schafft. Was machen Sie, falls das nicht gelingt? Dazu habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich konzentriere mich darauf, dass es nicht dazu kommt. Das heißt, Sie sind optimistisch, dass die FDP erneut im Bundestag sitzt? Ja, auf jeden Fall. Unsere Gesellschaft ist stark polarisiert, und wir haben eine wichtige Aufgabe. In solchen Zeiten braucht es eine Stimme der Mitte. Herr Kuhle, vielen Dank für das Gespräch!