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Bundesgerichtshof: Künast-Klage um Falschzitat - BGH prüft Haftung von Facebook

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Am obersten deutschen Zivilgericht ging es um ein Meme über die Grünen-Politikerin Renate Künast. Die Frage, die der BGH zu klären hat, geht aber viel weiter.

Nicht alles, was in sozialen Netzwerken kursiert, ist wahr. Aber welche Ansprüche haben Betroffene gegen Facebook und Co., wenn dort Falschbehauptungen über sie verbreitet werden? Das prüft der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe – und nahm am Dienstag eine Klage der Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast gegen den Facebook-Konzern Meta unter die Lupe. Wann der BGH eine Entscheidung fällt, blieb zunächst offen.

Im konkreten Fall ging es um ein sogenanntes Meme, das ein Bild von Künast mit einem angeblichen Zitat zeigt: "Integration fängt damit an, dass sie als Deutscher mal Türkisch lernen." Das Meme wurde bei Facebook in unterschiedlichen Varianten veröffentlicht und geteilt. Die Krux: Künast hat den Satz nie gesagt. Sie klagte auf Unterlassung sowie auf Schmerzensgeld von mindestens 10.000 Euro.

Das "Ausgangs-Meme" wurde mittlerweile gelöscht. Vor Gericht will Künast erreichen, dass Facebook auch alle "kerngleichen" Varianten des Memes löschen muss - und zwar ohne, dass die Grünen-Politikerin noch einmal auf die jeweiligen Internetadressen hinweisen muss. 

"Ich entscheide, was ich sage"

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte ihr 2024 diesbezüglich recht gegeben. Einen Anspruch auf Schmerzensgeld hatte das Gericht hingegen - anders als das Landgericht zuvor - verneint. Sowohl Meta als auch Künast gingen gegen das OLG-Urteil in Revision, sodass der Fall in Karlsruhe landete.

"Ich entscheide, was ich sage und nur das ist mein Zitat", betonte Künast nach der mündlichen Verhandlung am BGH. Politikerinnen und Politiker seien schließlich auf ihre Glaubwürdigkeit angewiesen. "Wenn dann jemand ein Zitat erfindet, schadet es einem. Es führt dazu, dass sich Leute aufregen." Gerade Hasskommentare würden über den Facebook-Algorithmus dafür sorgen, dass sich das Falschzitat immer weiterverbreitet. 

Es könne nicht sein, dass das Unternehmen daran verdiene, während die Betroffenen sich um die Beseitigung der entsprechenden Posts bemühen müssten, so Künast. "Die Macht dieser Konzerne und ihr Geschäftsmodell sind eine große Gefahr für unsere Demokratie."

Muss Facebook Inhalte prüfen?

Vor Gericht ging es darum, ob es Facebook zumutbar wäre, kerngleiche Posts ausfindig zu machen und zu löschen. Das Unternehmen argumentiert, dafür sei eine manuelle Prüfung des Beitrags auf dessen Sinngehalt nötig - zu der es als sogenannter Hosting-Anbieter nicht verpflichtet sei.

Die Organisation HateAid sieht das anders. "Es ist einem Riesen-Konzern, der Milliardengewinne macht, indem zum Beispiel solche Falschzitate verbreitet werden, durchaus zumutbar, tatsächlich auch dafür zu sorgen, dass dieses Geschäftsmodell sicher betrieben wird", sagte Geschäftsführerin Josephine Ballon. "Diesen Einwand, dass über eine menschliche Moderation gar nichts geleistet werden kann, weil es alles viel zu kompliziert und juristisch zu schwierig ist, den können wir hier einfach nicht gelten lassen."

HateAid hilft nach eigenen Angaben Betroffenen von Hass im Netz bei möglichen Strafanzeigen und in Einzelfällen auch bei Zivilklagen. Auch andere Politiker wie Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) arbeiten bei ihren Anzeigen wegen Hassnachrichten mit der Organisation zusammen.

Fall wirft europarechtliche Fragen auf

Vor einem Karlsruher Urteil könnte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg noch mit dem Fall beschäftigen. Nachdem Künast, Meta und die Vorinstanzen bisher vor allem auf nationales Recht geschaut hatten, wies der BGH darauf hin, dass hier auch die Datenschutz-Grundverordnung der sowie der Digital Services Act der EU eine Rolle spielen könnten. 

Es stellten sich verschiedene europarechtliche Fragen, sagte der Vorsitzende Richter, Stephan Seiters, in der mündlichen Verhandlung. Der BGH ziehe daher eine Vorlage an den EuGH in Erwägung. Der Karlsruher Senat würde dann erst nach einer Antwort der Luxemburger Kolleginnen und Kollegen sein Urteil zu Künasts Klage fällen.