Bundestagswahl 2025: Das passiert wirklich, wenn Sie nicht wählen
Die Bundestagswahlen stehen vor der Tür, aber einige Menschen werden auf den Gang ins Wahllokal verzichten. Dabei ist der Einfluss auf den Wahlausgang größer, als Nichtwähler denken.
Haben Sie sich schon entschieden, wen Sie am 23. Februar wählen? Oder planen Sie, gar nicht zur Wahl zu gehen? Natürlich liegt die Entscheidung bei Ihnen. Doch auch Nichtwählen beeinflusst das Wahlergebnis der Bundestagswahlen stärker, als viele denken. Denn die Nichtwählerinnen und Nichtwähler bilden eine große Gruppe. Und ihre fehlenden Stimmzettel in der Wahlurne können am Ende extreme Parteien stärken – und die Demokratie schwächen.
Tatsächlich ist die Zahl der Nichtwähler bei Bundestagswahlen beachtlich: 2021 verzichteten 23,6 Prozent der wahlberechtigten Bundesbürger auf ihre Stimme – das waren 14.465.428 Wahlberechtigte. 2009 gingen sogar 29,2 Prozent nicht zur Wahl.
Doch wer sind diese Nichtwähler? Laut Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) stellen sie regelmäßig die größte Wählergruppe. Ihre soziale Lage spiele dabei eine Rolle: In ärmeren Stadtteilen und Wahlkreisen sei die Wahlbeteiligung oft niedriger, so die FES.stern-PAID IV CeMAS 15:22
Wer nicht wählt, hilft den großen Parteien
"Hinter der Entscheidung, nicht wählen zu gehen steckt in vielen Fällen ein Gefühl von Machtlosigkeit und einer Distanz zu denen, die politische Entscheidungen treffen", so die FES weiter. Wenn die Menschen aber glaubten, mit ihrer Stimme keinen nennenswerten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen zu können, sei dies neben der Entscheidung, nicht wählen zu gehen, für viele eine Motivation, Parteien am Rande des politischen Spektrums zu wählen. Dies schlage sich auch in den Wahlergebnissen nieder: Neben der SPD schneiden Linkspartei und AfD dort am besten ab, wo die Wahlbeteiligung niedrig ist.
Das ist ein Problem für die Demokratie selbst. Sie braucht ein Mindestmaß an Bürgerbeteiligung, um zu funktionieren. Sonst gerät die Regierung in Legitimationsnöte, heißt es auf einer archivierten Seite des Bundestages. Die nicht abgegebene Stimme hat großen Einfluss – oft zugunsten von Parteien, die die Nichtwähler selbst nicht unterstützen würden. "Die Höhe der Wahlbeteiligung hat Auswirkungen auf das Wahlergebnis: Nichtwähler unterstützen letztlich immer den Wahlgewinner, ob sie das nun wollen oder nicht", lautet die Erklärung.Fotostrecke Kanzlerkandidaten
Aber wie? Von der Nichtwahl profitieren rechnerisch gesehen alle Parteien, die man normalerweise nicht gewählt hätte, und zwar proportional zu ihrem Stimmenanteil, erklären die Expertender Seite wahlrecht.de. Sie haben dazu ein Beispiel parat: "Wenn beispielsweise ein SPD-Wähler einmal nicht wählt, dann dürfte davon am meisten die CDU profitieren, und umgekehrt." Am meisten schade man aber der Partei, die man gewählt hätte, wäre man zur Wahl gegangen. Bleibt eine sonst treue SPD-Wählerin zu Hause, schadet das logischerweise der SPD.
Ein Rechenbeispiel: Wenn 100 Leute zur Wahl gehen und davon 20 die Partei A wählen, dann bekommt diese 20 Prozent. Gehen aber nur noch 80 von 100 Menschen zur Wahl, aber alle 20 wählen immer noch Partei A, dann bekommt diese Partei ganze 25 Prozent der Stimmen.
Nichtwähler stärken extremen Parteien
Bleiben Bürger der Wahlurne fern, profitieren kleine und extreme Parteien.Diese erhielten durch Nichtwähler einen "Zusatzeffekt", so die Seite wahlrecht.de. Durch Wahlenthaltung oder ungültige Stimmabgabe werde die Fünf-Prozent-Hürde etwas abgesenkt, so dass sie leichter zu überwinden sei. Der Effekt sei aber vergleichsweise gering.
Rechnen wir noch einmal mit dem obigen Beispiel. Wenn von 100 Personen nur vier Partei B wählen, liegt sie unter der Prozenthürde und käme nicht ins Parlament. Würden wieder 80 Leute wählen, aber immer noch vier Partei B, käme sie auf fünf Prozent – und wäre im Parlament.
Der politische Verein Campact warnt, dass Nichtwählen rechtsextreme Parteien begünstige. Diese seien sehr gut darin, Wähler zu mobilisieren. Je mehr Stimmen also auf solche Parteien fallen und je niedriger gleichzeitig die Wahlbeteiligung ist, desto mehr Prozente erhalten sie am Ende – und damit auch mehr Sitze, so die Argumentation. Auch die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg argumentiert, Nichtwähler erleichterten extremistischen Strömungen den politischen Einfluss. Eine hohe Wahlbeteiligung könne ein "böses Erwachen" verhindern.Bundestagswahl FAQ 17:34
Bundestagswahl 2025: Ist ungültig stimmen besser?
Nichtwählen hat aber auch Auswirkungen auf die eigene Situation. Wenn vor allem sozial Benachteiligte zu Hause bleiben, während Bessergestellte wählen, spiegelt die Wahlbeteiligung nicht die Gesellschaft wider. Je geringer die Wahlbeteiligung, desto seltener gehen arme und bildungsferne Menschen sowie Menschen mit Migrationshintergrund zur Wahl. Sie sind dann im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil unterrepräsentiert. Das zeige sich dann auch in der politischen Praxis, erklärte der Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp im Deutschlandfunk. So habe sich die Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten stärker an Eigentümern als an Mietern orientiert.
Wer nicht zur Wahl geht, gibt dennoch seine Stimme ab, wenn auch unbewusst und ungewollt. Denn auch der Nichtwähler trägt zum Wahlergebnis bei – und damit zu der Politik, die unser Leben in den nächsten Jahren bestimmen wird.Bundestagswahl 2025 15:36
Wenn man trotzdem keine Partei wählen will – ist es besser, den Stimmzettel ungültig zu machen?
Eine Wahlenthaltung gibt es in Deutschland nicht. Wer keine Partei unterstützen will, könnte den Stimmzettel ungültig machen. Doch das ändert wenig. Denn es werden nur die gültigen Stimmen gezählt. Nur mit ihnen werden die Prozentzahlen der Parteien berechnet. Zwar erhöht eine ungültige Stimme die Wahlbeteiligung, weil sie in der Statistik auftaucht. Parteien brauchen dadurch weniger absolute Stimmen, um höhere Prozentzahlen zu erreichen. Ungültig wählen ist also kaum besser, als gar nicht zu wählen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 3. Juni 2024 anlässlich der Europawahl und wurde anlässlich der Bundestagswahl 2025 aktualisiert und angepasst.
Quellen: Bundestag, Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg, Bundeswahlleiterin, Friedrich-Ebert-Stiftung, wahlrecht.de, Destatis, Campact, Deutschlandfunk, "t-online", "Stuttgarter Zeitung"