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HSV: Zauberer Merlin Polzin lässt Hamburg vom Aufstieg träumen

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In seiner siebten Saison in der 2. Bundesliga könnte dem HSV endlich der Aufstieg gelingen. Dabei stand der Klub noch vor wenigen Wochen selten schlecht da. Dann kam der Zauberer. Es hatte schon etwas Magisches, was Ransford Königsdörffer vor einer Woche am Samstagabend in Berlin veranstaltete. Der Angreifer des Hamburger SV war im Gastspiel seiner Mannschaft bei Hertha BSC gerade erst eingewechselt worden, da beförderte er den Ball derart traumhaft in den Winkel des Gehäuses der Heimelf, dass Hertha-Torhüter Marius Gersbeck nur staunend hinterherschauen konnte – und mit ihm mehr als 71.000 anwesenden Zuschauer im Olympiastadion der Hauptstadt. 2:0 führten die Norddeutschen nach Königsdörffers Treffer in Berlin. Am Ende zitterte sich der HSV nach einem Sturmlauf der Berliner zu einem 3:2-Erfolg, der aber eben auch der Effizienz der "Rothosen" geschuldet war und nicht nur dem puren Glück. Denn während Hertha laut xGoals-Statistik eigentlich 2,5 Tore hätte erzielen müssen, stand beim HSV bei den zu erwartenden Treffern nur eine 0,6. Dennoch jubelten die Hamburger schlussendlich dreimal. Auch das erinnerte an diesem Abend in Berlin an Zauberei. Dementsprechend nachvollziehbar ist der Umstand, dass die Stimmung in der Hansestadt in diesen Tagen deutlich besser ist, als sie es noch Ende November war. Der exponentielle Anstieg der Gemütslage in und um den Verein ist dabei eng geknüpft an einen Namen: Merlin Polzin. Der 34-Jährige, der den gleichen Vornamen trägt wie der bekannte, aber wohl fiktive Zauberer aus der Legende um König Artus, hat dem HSV seit seinem Amtsantritt vor rund zwei Monaten neues Leben eingehaucht – und ist auf dem besten Wege, mit dem Klub das Unmögliche möglich zu machen. Sechsmal grotesk am Aufstieg gescheitert Das bis dato Unmögliche, das ist in Hamburg seit mittlerweile rund sechseinhalb Jahren die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga. Denn der Klub, eigentlich in jeder Saison im deutschen Unterhaus einer der Top-Favoriten auf den Aufstieg, scheiterte über die Jahre immer wieder auf groteske Art und Weise an diesem Projekt – und das mit teilweise renommierten Trainern wie Hannes Wolf, Dieter Hecking oder Daniel Thioune . Dreimal infolge wurde der HSV zu Beginn seiner Zweitligazeit Vierter in der Abschlusstabelle, verpasste damit die Aufstiegsplätze immer um einen Rang. 2022 und 2023 erreichten die Hanseaten dann jeweils den dritten Platz, durften sich deshalb in der Relegation um den letzten Starter der kommenden Bundesligasaison mit dem Tabellensechzehnten des Oberhauses duellieren. Doch sowohl gegen Hertha BSC als auch gegen den VfB Stuttgart zog der HSV damals den Kürzeren. Ein Jahr nach der Pleite gegen die Schwaben trudelten die Hamburger dann zum vierten Mal in sechs Spielzeiten auf dem vierten Rang ein. Dabei hatte man mit Trainer Steffen Baumgart große Hoffnungen, das Ruder im Aufstiegsrennen noch einmal herumreißen zu können. Tim Walter, der den HSV zweieinhalb Jahre betreut hat, war zuvor nach einer 3:4-Pleite gegen Hannover 96 entlassen worden. Baumgart übernahm, doch der Aufstieg wollte auch ihm nicht gelingen. Wenige Monate später war der 53-Jährige in Hamburg dann auch schon wieder Geschichte. Nach einem 2:2 gegen Schalke am 13. Spieltag der aktuellen Saison musste Baumgart gehen. Der HSV hatte zu diesem Zeitpunkt nur 20 Zähler auf dem Konto, war auf Rang acht abgerutscht. So schlecht stand das Team zu diesem Zeitpunkt in sieben Jahren 2. Bundesliga punktetechnisch erst einmal da, von der Platzierung her sogar noch nie. Polzin-Effekt: HSV plötzlich Spitze Im Januar 2025 ist die Lage aber eine andere. Der HSV grüßte vor dem 20. Spieltag in der Tabelle plötzlich vom Platz an der Sonne. Der ehemalige Bundesliga-Dino stand bis zum Samstag punktgleich mit Verfolger Köln an der Spitze. Nach dem Sieg des Bundesliga-Absteigers am Samstag gegen Braunschweig ist der HSV zwar vorerst abgerutscht, plant am heutigen Sonntag im Nord-Duell mit Hannover 96 (ab 13.30 Uhr im Liveticker bei t-online) aber erneut die Tabellenführung zu übernehmen – und nach den Domstädtern (1:0) und der Hertha den nächsten Hochkaräter im neuen Jahr in der 2. Bundesliga niederzuringen. Dass das wie ein durchaus realistisches Szenario erscheint, ist der Verdienst Polzins. Seit seinem Amtsantritt hat der zunächst als Interimstrainer, dann als Chefcoach installierte Fußballlehrer keines seiner sechs Spiele verloren (vier Siege, zwei Remis). Kein anderes Team des deutschen Unterhauses hat in der Ära Polzin so gut gepunktet wie der HSV. Und: Keine Mannschaft hat in dieser Zeit mehr Treffer erzielt als die Hamburger. Zur Wahrheit gehört zwar auch, dass der HSV bereits unter Baumgart zu den torgefährlichsten Teams der Liga gehörte. Doch der Ex-Trainer bekam seine Profis im Herbst einfach nicht mehr in die Spur. Der HSV wusste spielerisch plötzlich nicht mehr zu überzeugen, ließ reihenweise Punkte liegen, verlor unter anderem bei den vermeintlich kleinen Vereinen aus Elversberg (2:4) und Braunschweig (1:3) – und parallel den Anschluss an die Spitzenplätze. Das Gegenteil dann unter Polzin: Bereits in seinem ersten Spiel feierte er einen Achtungserfolg beim damaligen Tabellenzweiten Karlsruhe (3:1). Zwei Unentschieden und drei Wochen später überrollte das Team dann Greuther Fürth mit 5:0, setzte damit ein klares Zeichen dafür, mit Polzin weiterarbeiten zu wollen – ein Wunsch, welchem der Klub mit dessen Beförderung zum Cheftrainer kurz darauf dann auch nachkam. Polzins Systemumstellung bringt defensive Stabilität Polzins Geheimrezept, um Hamburg wieder in der Spitzengruppe der Liga zu integrieren, ist derweil wohl nicht auf ein oder zwei Handgriffe herunterzubrechen. Zu vernehmen ist aber, dass der seit seiner Kindheit glühende HSV-Fan wohl einen äußerst engen Draht zu seinen Spielern hat, sind einige von ihnen doch nur unwesentlich jünger als er selbst. Die gute Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft dürfte diese nachvollziehbarer Weise beflügeln. Taktisch ist wiederum auffällig, dass der Coach schon bei seinem ersten Spiel in Karlsruhe das System umstellte – und bis heute an dieser Maßnahme festgehalten hat. Während Steffen Baumgart ein 3-4-1-2-System präferierte, schwört Polzin auf ein 4-3-3. Die Umstellung auf die Viererkette hat dem HSV dabei defensiv eine neue Stabilität verliehen. Unter Baumgart spielte das Team in 13 Spielen zweimal zu null, genauso wie in sechs Partien unter Polzin. Mit dem neuen Trainer an der Seitenlinie kassierte die Mannschaft zudem bisher lediglich sechs Gegentreffer. Zum Vergleich: In den letzten sechs Partien unter Baumgart schlug es elfmal im Hamburger Gehäuse ein. Die magische Nacht ist ein Blick in die Zukunft Eine besondere neue Stärke unter Polzin präsentierte der HSV zudem erstmals beim Auftritt in Berlin. Wie schon beim 2:2 gegen Schalke im November, Baumgarts letzter Partie auf der Hamburger Bank, hatte die Mannschaft eine 2:0-Führung verspielt. Während sich der HSV damals mit einem Punkt begnügen musste, gelang es der Mannschaft dieses Mal, in der größten Drangphase des Gegners den entscheidenden Nadelstich zu setzen. Hertha drückte, der HSV konterte und traf. Wenige Minuten nach dem Siegtor durch Emir Sahiti ertönte in Berlin dann der Schlusspfiff. Im Kollektiv stürmten die Hamburger Spieler in Richtung Gästekurve. Mehr als 20.000 Anhänger hatten das Team ins Olympiastadion begleitet. Vor rot-leuchtenden Pyrofackeln und den lautstark singenden Fans tanzte das Team über die Tartanbahn der Arena. Es war der Höhepunkt dieser aus Hamburger Sicht magischen Januarnacht in der Hauptstadt – und womöglich ein kleiner Blick in die Zukunft des HSV und das Wirken von Zauberer Merlin Polzin.