Elfter Tag in Folge: Tausende Georgier gehen gegen Regierung auf die Straße
Den elften Tag in Folge sind in Georgien tausende Menschen für die EU-Anbindung ihres Landes auf die Straße gegangen. Die regierungskritischen Demonstranten versammelten sich am Sonntagabend vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Viele von ihnen schwenkten EU-Fahnen, andere sorgten mit Pfeifen und Tröten für Lärm.
Wie schon an den Abenden zuvor schlugen Demonstranten auch auf die Metallbarrieren ein, mit denen das Parlament abgeriegelt ist. Die Stadtverwaltung hatte zudem im Laufe des Tages damit begonnen, einen großen Weihnachtsbaum vor dem Parlament aufzustellen. An dem Gerüst für den Baum befestigten die Demonstrationsteilnehmer Fotos von Protestierenden, die in den Vortagen von der Polizei geschlagen worden waren. Die Gesichter auf den Fotos waren mit blauen Flecken übersät.
"Das ist jetzt nicht die Zeit zum Feiern", sagte der 27-jährige Nino der Nachrichtenagentur AFP. "Sie können uns keine Angst machen, wir werden nicht aufhören", fügte er mit Blick auf das zunehmend harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten hinzu. Diese hatten in den vergangenen Tagen immer wieder Tränengas und Wasserwerfer gegen die Protestierenden eingesetzt.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden seit Beginn der Demonstrationen 402 Demonstranten festgenommen, die meisten wegen "Ungehorsam" oder "Vandalismus". Es seien aber auch "mehr als 30" Menschen wegen mutmaßlicher Straftaten wie der Organisation von Gewalt festgesetzt worden.
Regierungschef Irakli Kobachidse, gegen den sich die Proteste hauptsächlich richten, hatte am Samstag angekündigt, per Gesetz ein Verhüllungsverbot für Demonstranten erlassen zu wollen. Es solle Protestierenden untersagt werden, "ihr Gesicht wie auch immer zu verhüllen", sagte er in einer Pressekonferenz. Die Demonstranten schützen derzeit ihr Gesicht oft mit Stoffen oder Masken gegen das Tränengas der Polizei.
Die pro-europäischen Proteste richten sich insbesondere gegen den von Kobachidse angekündigten Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen des Kaukasusstaates bis 2028. Zudem steht die umstrittene Parlamentswahl von Ende Oktober im Mittelpunkt der Proteste, bei der es nach Angaben der Opposition zu Wahlbetrug kam.
Die Lage in Georgien ist seit der Parlamentswahl vom 26. Oktober stark angespannt. Die Moskau-freundliche Regierungspartei Georgischer Traum hatte dabei laut offiziellem Wahlergebnis eine deutliche Mehrheit errungen. Die Opposition wirft ihr jedoch Wahlbetrug vor. Sie beschuldigt die Regierung der früheren Sowjetrepublik, Georgien wieder an Russland heranrücken zu wollen - und weg von der EU.
Georgien ist seit Dezember 2023 offiziell EU-Beitrittskandidat. Seitdem hat die Regierung aber mehrere Gesetze verabschiedet, die in Brüssel große Sorge hervorrufen, darunter ein Gesetz nach russischem Vorbild gegen "ausländische Einflussnahme". Die EU fror deshalb Ende Juni den Beitrittsprozess mit Georgien ein.