Böhmermann knöpft sich Reichel und das Portal "Nius" vor
Böhmermann hat gegen Ex-Bild-Chef Reichelt und dessen neuer Internetplattform "Nius" ausgeholt. Dabei wählte er seine Aussagen bewusst lückenhaft. Satiriker Jan Böhmermann hat sich am Freitagabend das Internetportal "Nius" vorgeknöpft. Was er dem Medium um Chef-Redakteur Julian Reichelt vorwirft, wurde bereits im Titel der "ZDF Magazin Royale"-Folge deutlich: "Nius: Wo Rechte eine Bühne bekommen", lautete dieser. Seine Kritik brachte Böhmermann am Freitagabend jedoch nicht nur durch das zum Ausdruck, was er sagte. Auch das, was er nicht sagte, hatte Bedeutung. So nahm der Satiriker in seiner dreißigminütigen Sendung den Namen von "Nius"-Chefredakteur Reichelt nicht einmal in den Mund. Stattdessen sprach er ausschließlich vom "Ex-'Bild'-Chefredakteur", "Nius-Chefredakteur" oder auch vom "Chef-Hellseher". In Video-Ausschnitten oder auf Fotos, die Reichelt zeigten, war dieser als einziger immer nur mit einem schwarzen Balken vor den Augen zu sehen. Was genau Böhmermann damit zum Ausdruck bringen wollte – Interpretationssache. Eindeutig waren hingegen die Worte, die er zu Reichelt und "Nius" fand. "Das ist dieser hochseriöse, publizistische Online-Gnadenbrothof, geleitet vom ehemaligen Chef-Redakteur der 'Bild'", stellte er das Portal vor und legte direkt nach. Unter Verweis auf eine Schlagzeile der "FAZ" über Reichelts Abschied von der "Bild", die lautete "Sex, Lügen und ein achtkantiger Rauswurf", kommentierte Böhmermann: "So viel Scheiße muss man erstmal bauen, dass man bei 'Bild' rausfliegt." Er verwies darauf, dass Reichelt gegen ihn vorgebrachte Vorwürfe bestreite und nun deshalb ohne "Bild" weitermache – mit "Nius". Böhmermann zitiert Springer-Leitsatz Reichelts ehemaligen Arbeitgeber brachte Böhmermann auch an anderer Stelle zur Sprache: "Kaum rausgeflogen bei der 'Bild', ist dem 'Nius'-Chefredakteur offenbar der große, sehr wichtige Leitsatz von 'Bild'-Gründer Axel Springer entfallen", holte der Satiriker aus. Die Rede war von dem Springer-Grundsatz: "Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht Israels." Böhmermanns Kritik bezog sich auf ein "Nius"-Video, in dem Reichelt die Rechtsaktivistin Eva Vlaardingerbroek als "Kollegin, Freundin, Juristin und Rechtsphilosophin" empfing, und in dem diese vor "Globalisten" mit "schlimmer Agenda" warnte. Eine Einordnung des Terms "Globalisten" kam von Antisemitismusforscher Uffa Jensen. Es handele sich dabei um ein Codewort unter Rechten, das auf eine antisemitische Weltverschwörung anspielt, erklärte der. Zwar habe Reichelt erklärt, dass er selbst den Begriff "Globalisten" aufgrund seiner Missverständlichkeit in Deutschland nicht verwenden würde, so Böhmermann, dennoch warf er ihm vor, die "Grenze des Sagbaren" verschieben zu wollen. Wenn es gegen die "linke Übermacht" gehe, müssten eben auch "erfahrene Kämpfer gegen Antisemitismus" mal kurz weghören, so Böhmermann. Stellung bezogen zu der Verwendung des Begriffs "Globalisten" hatte Reichelt in einem Kommentar mit dem Titel "Böhmermann will UNS zerstören. Lassen SIE das nicht zu!". Diesen hatte er in Reaktion auf die Zusendung von Fragen durch die Böhmermann-Redaktion verfasst. Darüber hinaus veröffentlichte der "Nius"-Chefredakteur am Donnerstag einen Video-Kommentar mit der Überschrift: "Böhmermann will NIUS zerstören – Himmlers williger Vollstrecker!" Die Rede ist von ZDF-Intendant Norbert Himmler. "Nius" soll Texte abgeschrieben haben "Wie Adolf Eichmann, nur noch williger", entgegnete Böhmermann auf die Titelwahl. Seiner Redaktion habe Reichelt auf die zugesendeten Fragen übrigens nicht geantwortet, erklärte der Satiriker. Das 26 Minuten lange Video des "Nius"-Chefredakteurs beschrieb er als "leicht verschwitzt und etwas geschwätzig". Darüber hinaus kritisierte er, dass Plagiats-Vorwürfe gegen "Nius" darin keine Rolle spielten. Das Internetportal habe "massiv abgeschrieben" und in mehreren Fällen Artikel offline nehmen müssen, in denen sich kopierte Passagen befunden haben, so Böhmermann. Über einen Archivierungsdienst habe man nachvollziehen können, um welche Texte es sich handelt. Der Satiriker nannte drei Beispiele. Zwei Texte von t-online aus dem Januar und Februar 2024 und einen von "Yahoo". "Anderen Medien Plagiate vorwerfen und selbst so doll abschreiben", kritisierte Böhmermann und fragte: "Geht so konservativer Journalismus gegen die linke Übermacht?" Nicht die einzige Internetrecherche der "ZDF Magazin Royale"-Redaktion mit brisantem Ergebnis. Denn: Ein Blick in die Quellcodes von "Nius"-Seiten legte außerdem die Vermutung nahe, dass sich hinter dem Autoren-Namen "Redaktion" in 73 Fällen die "bekannte rechtsextreme Politaktivistin" Magdalena Menegus verbergen könnte, erörterte Böhmermann. Böhmermann teilt gegen Lindner aus An den "Nius"-Geldgeber, Multimillionär Frank Gotthardt , gewandt warnte Böhmermann ironisch: "Das sieht so aus, als mischten da so richtig echte Rechtsextreme mit in deiner staatsbürgerlichen Verantwortung." Gotthardt, den Böhmermann provokant auch als "leicht abgestandenen Grauburgunder", "Mosel Murdock" und "König von Koblenz" betitelte, hatte seine Beteiligung an "Nius" in der Vergangenheit mit "staatsbürgerlicher Verantwortung" erklärt. Auch einen Seitenhieb gegen Spitzenpolitiker, die bei "Nius"-TV zu Interviews erschienen waren, ließ sich Böhmermann nicht entgehen. Dabei nannte er FDP-Chef Christian Lindner , Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer , Unions-Fraktionsvize Jens Spahn , CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki . Wer den "armen Spitzenpolitikern" denn Bescheid sage, in was für einer "unangenehmen, verfassungsfeindlichen Gesellschaft" sie sich befinden, fragte der Moderator vermeintlich besorgt. "Man muss nicht in jede Kamera labern", schickte er an Lindner gewandt hinterher. Tatsächlich hätten alle fünf genannten Politiker eine Einladung zu "ZDF Magazin Royale" abgelehnt, schilderte Böhmermann und zeigte Auszüge aus E-Mail-Antworten. "Wahrscheinlich sind wir nicht unseriös, menschenverachtend und niederträchtig genug", so der Satiriker. "Keine Sorge, wir arbeiten weiter dran", versprach er zum Sendungsende.