ru24.pro
World News
Ноябрь
2024

Medien: SPD plant Gesetzesinitiative, um Voraussetzungen der "Politikerbeleidigung" abzusenken

0

Nachweislich belasten diverse Spitzenpolitiker aus dem Regierungsumfeld und dem politischen Berlin den deutschen Justizapparat mit tausenden Klagen, wegen willkürlich wahrgenommener Beleidigungen und Verleumdungen nach § 188 StGB, der sogenannten "Politikerbeleidigung".

Laut dem Online-Portal Legal Tribune Online (LTO) plant die niedersächsische SPD-Justizministerin Kathrin Wahlmann eine Verschärfung des Paragrafen, um darüber die "Voraussetzungen der 'Politikerbeleidigung'" weiter abzusenken.

Der von einem Berliner Rechtsreferendar verfasste LTO-Artikel erläutert einleitend die Historie des aktuell seitens dünnhäutiger und sensibler Politiker mannigfaltig genutzten § 188 StGB:

"Der Beleidigungstatbestand [Majestätsbeleidigung], § 185 StGB, stammt in seinen Grundzügen aus der Zeit vor der Reichsgründung und besteht in seiner heutigen Form nahezu unverändert seit Einführung des Reichsstrafgesetzbuches im Jahre 1871 (...) Das änderte sich 2021 mit dem 'Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität'. Damit führte der Gesetzgeber mit den Stimmen der unionsgeführten GroKo einen Qualifikationstatbestand für solche Beleidigungen ein, die öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen werden."

Im Rahmen des nun geschaffenen § 188 StGB wurden damit Rechtsgrundlagen installiert, die es ermöglichen, das Höchststrafmaß für diese öffentliche Beleidigung "von einem auf zwei Jahre anzuheben".

Das jüngst, in einer breiten öffentlichen Wahrnehmung, eingesetzte, "beleidigende" sogenannte "Schwachkopf-Meme" in den sozialen Medien, in der subjektiven Einschätzung eines 68-jährigen Rentners zur beruflichen Eignung des Grünen Ministers und Kanzlerkandidaten Robert Habeck, wiegt daher "nach der gesetzlichen Wertung nun also gleich schwer wie die Ohrfeige", so der LTO-Artikel weiter erklärend.

Dabei wichtig zum Gesamtverständnis eines sich stetig dynamisierenden politischen Phänomens, allein auf das Konto von Bundeswirtschaftsminister Habeck gehen mehr als 800 Strafanzeigen wegen Hasskriminalität, die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann ließ rund 1.900 Anklagen in einem Jahr prüfen:

"Bis dahin umfasste der Tatbestand lediglich die Verleumdung und die üble Nachrede (§§ 186 und 187 StGB) gegen 'im politischen Leben des Volkes stehende Personen'. Es wurden also nur Tatsachenbehauptungen gegen Politiker strenger behandelt und nicht auch Werturteile."

Weiter heißt es abschließend zu diesem Punkt:

"Die Höchststrafe dafür lag und liegt bei fünf Jahren. Im Namen des Kampfes gegen Hasskriminalität wurde § 188 StGB dann um die Beleidigung erweitert und auf die kommunalpolitische Ebene ausgedehnt. Die Höchststrafe für die Beleidigung einer Person des politischen Lebens beträgt nach dem neuen § 188 StGB nun drei Jahre, also ein Jahr mehr als die öffentliche Beleidigung einfacher Bürger."

Laut dem LTO-Autoren stelle sich daher die dringliche Frage einer Verhältnismäßigkeit im aktuellen Agieren diverser Politiker und der ausufernden Klagewelle gegen kritische Bürger und Bürgerinnen. Dies ausgehend von der Information, dass die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) demnach plant "auf der Justizministerkonferenz (JuMiKo) in der kommenden Woche einen Antrag, der LTO vorliegt, einzubringen, mit dem die Voraussetzungen der "Politikerbeleidigung" abgesenkt werden sollen".

Das Kriterium, wonach eine Beleidigung nur dann als "Politikerbeleidigung" geahndet werden kann, wenn die Tat geeignet ist, das "öffentliche Wirken" des Politikers "erheblich zu erschweren", soll laut einem Artikel der Welt-Zeitung durch die Erweiterung final fallen (Bezahlschranke).

Diesbezügliche Konsequenzen aus dem Papier fänden sich gegebenenfalls in der Strafverfolgung und dem Strafmaß. Behörden könnten zukünftig nach möglichem Beschluss "leichter wegen Beleidigungen von Politikern ermitteln". Täter müssten zudem mit höheren Strafen rechnen. Justizministerin Wahlmann erklärte nach Welt-Anfrage zu ihrem Vorstoß:

"Unsere Demokratie lebt von engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich in herausgehobener Weise – und oft in ihrer Freizeit – für unsere Gesellschaft einsetzen. Beleidigungen gegen solche Bürgerinnen und Bürger zielen daher nicht nur auf die jeweilige Einzelperson, sondern treffen unser demokratisches Gemeinwesen als Ganzes."

Es sei für sie daher "unerträglich zu sehen, welch widerlichen Hasskommentaren sich auch ehrenamtlich tätige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in unserem Land inzwischen regelmäßig ausgesetzt sehen". 

Zu einer möglichen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes heißt es in der Begründung des JuMiKo-Antrags:

"Ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG dürfte mit einer Streichung oder Anpassung des genannten Kriteriums nicht einhergehen."

Die Ungleichbehandlung von Politikern und einfachen Bürgern im Beleidigungsstrafrecht "sei durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt", argumentiert demnach das Wahlmann-Papier laut LTO-Artikel.

Exemplarisch stelle sich die nun dringliche Frage, ob aktuell die Bezeichnung als "Schwachkopf" geeignet sein könnte, "bei anderen Menschen einen Vertrauensverlust in die Arbeit von Robert Habeck auszulösen und so die Funktionsfähigkeit des politisch-demokratischen Gemeinwesens in Frage zu stellen". Dies sei laut Einschätzung des LTO-Juristen "mehr als fraglich", um zu resümieren:

"Danach ist die Strafverschärfung für die Beleidigung von Politikern fragwürdig: Das Klima des demokratischen Diskurses ist von einer Vielzahl an Faktoren abhängig, wobei die Auswirkung eines einzelnen Werturteils hierbei immer nur einen Bruchteil der Gründe darstellen kann, die zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in Politiker führen."

Final gehöre die Gesetzesänderung von 2021 "eigentlich zurückgedreht", anstatt die Politikerbeleidigung noch weiter zu verschärfen und "ihr damit das ohnehin dünne teleologische [auf ihr beruhende] Fundament vollständig zu entziehen". 

Mehr zum Thema - Strack-Zimmermann beschäftigt mit Klageflut fünf Staatsanwälte