China im Konflikt mit den USA und den Philippinen: Peking hat Hunger
Immer wieder kommt es zu gefährlichen Auseinandersetzungen zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer. Ein Konflikt im Schatten, der aber für die Welt ähnlich gefährlich ist wie der um Taiwan. Es tobt ein täglicher Kampf im Südchinesischen Meer. China beansprucht 90 Prozent der Region völkerrechtswidrig für sich und versucht, seine Ansprüche gewaltsam durchzusetzen. Die Marine drängt Schiffe anderer südostasiatischer Länder ab, teilweise in der maritimen Wirtschaftszone dieser Staaten. Schiffe stoßen zusammen, chinesische Patrouillenboote beschießen andere Schiffe mit Wasserwerfern oder verdrängen Fischer von ihren Fischgründen. Das Südchinesische Meer ist ein Pulverfass, an dem täglich aufs Neue gezündelt wird. Eine Lage, die sich längst zu einem Stellvertreterkonflikt entwickelt hat. Während sich der westliche Fokus vor allem auf den Streit um die drohende Invasion Chinas auf Taiwan richtet, ist ein anderer Konflikt im Südchinesischen Meer ähnlich gefährlich für die globale Sicherheit: der Schlagabtausch zwischen China und den Philippinen . Die Philippinen haben ein Verteidigungsbündnis mit den USA . Sollte die Lage weiter eskalieren, könnte das im schlimmsten Fall einen Krieg der Supermächte auslösen. Diese Eskalation könnte nur einen Schuss entfernt sein und jedes Mal, wenn auf hoher See Schiffe kollidieren, hält die Welt den Atem an. Abkommen mit den USA Die Philippinen wehren sich gegen die chinesische Übermacht. Präsident Ferdinand Marcos Jr. zog Mai 2024 eine rote Linie: "Sollte auch nur ein philippinischer Soldat bei einem Angriff getötet werden, rufen wir den Bündnisfall aus", sagte er vor ausländischen Journalisten. "Egal ob sich um Schiffe der Handelsmarine, der Küstenwache oder um Schiffe der Marine handelt. Das wäre ein Angriff einer fremden Macht auf die Philippinen." Die Philippinen sind der älteste US-Verbündete in der Region. Bereits 1951 unterzeichneten der Inselstaat und die Vereinigten Staaten einen Vertrag über eine gegenseitige Verteidigung (Mutual Defense Treaty). Er sieht vor, für den Fall, dass eines der beiden Länder angegriffen wird, dass das jeweils andere zur Unterstützung kommt. Im Jahr 2014 unterzeichnete die philippinische und die US-Regierung dann noch das Enhanced Defense Cooperation Agreement. Das Abkommen erlaubt es der US-Armee , Truppen für längere Aufenthalte auf den Philippinen zu entsenden und gibt den USA Zugang zu philippinischen Stützpunkten. Hinzu kommt, dass die Amerikaner ein Typhon-Raketensystem auf einer philippinischen Insel stationieren wollen. Von dort aus könnten dann US-Marschflugkörper auch in Richtung der Volksrepublik verschossen werden. Für China ist das alles ein großes Ärgernis. Peking empfindet das als Provokation. Antichinesische Stimmung wächst Die Philippinen setzen allgemein auf die Rückendeckung aus den USA, um China abzuschrecken. Dieses Bündnis ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass beim Aufeinandertreffen von chinesischen und philippinischen Schiffen nur selten scharf geschossen wird. Trotzdem spitzt sich die Lage immer weiter zu. Zwar einigten sich Peking und Manila im Juli auf ein Abkommen, das die Versorgung der philippinischen Truppen auf dem Second-Thomas-Riff regeln sollte. Dort befindet sich das auf Grund gelaufene Schiffswrack der "Sierra Madre", das von den Philippinen als Militärbasis genutzt wird. Aber aus dem Abkommen resultierte keineswegs eine Entspannung der Lage. Im Gegenteil: Erst Anfang September gab es den nächsten Zusammenstoß zweier Schiffe: China und die Philippinen gaben sich gegenseitig die Schuld. Die chinesische Küstenwache erklärte: "Die Philippinen haben wiederholt provoziert und Unruhe gestiftet und die temporären Vereinbarungen zwischen China und den Philippinen verletzt." Doch in der Vergangenheit war auf Video- und Fotoaufnahmen, die die philippinischen Streitkräfte in den sozialen Netzwerken teilten, immer wieder zu sehen, wie chinesische Marineschiffe philippinische Boote abdrängten oder gar rammten. Diese Vorfälle sorgen auf den Philippinen nicht nur für große Wut. Es gibt regelmäßig Proteste gegen China und es wächst allgemein die antichinesische Stimmung. Bei einer Umfrage im Frühjahr 2024 gaben knapp 80 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger auf den Philippinen an, ihr Land verteidigen zu wollen. Gleichzeitig gibt es kaum ein anderes Land, in dem die USA in der Bevölkerung beliebter sind, und das, obwohl der ehemalige Präsident Rodrigo Duterte antiamerikanische Positionen vertrat. China ringt um Kontrolle Die Philippinen werden also wahrscheinlich nicht nachgeben, auch weil es den USA gelungen ist, in der Region ein Sicherheitsbündnis gegen China zu bilden. Darunter sind Regionalmächte wie Australien , Südkorea und Japan. Die aggressive Expansionspolitik Chinas im Südchinesischen Meer führt dazu, dass sich auch Länder wie Vietnam langsam in die Arme der Amerikaner flüchten. Peking ist zunehmend isoliert. Trotzdem wird auch der chinesische Präsident Xi Jinping nicht von seinen Gebietsansprüchen ablassen. Dafür ist das Seegebiet für China aus sicherheitspolitischen Gründen zu relevant. Sollte Peking das Südchinesische Meer kontrollieren und Raketen und Kampfflugzeuge auf den Riffen stationieren können, wäre eine Invasion von Taiwan einfacher umsetzbar. Alexander Görlach, Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York , sagte dem "Münchner Merkur": "Am Ende geht es Peking darum, aus dem internationalen Meer ein nationales Gewässer zu machen. Das kann nur dann gelingen, wenn die Inseln im Westphilippinischen Meer chinesisch sind." Die Philippinen haben ihr Seegebiet im Südchinesischen Meer in "Westphilippinisches Meer" umbenannt. Görlach ergänzte: Sollte sich China durchsetzen, bestünde "akute Kriegsgefahr mit den Vereinigten Staaten und ihren Nato-Partnern in der freien Welt". Das Südchinesische Meer ist außerdem von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Ein Drittel der weltweiten Rohölexporte werden auf dem Seeweg durch diese Region transportiert, Rohstoffe, von denen die chinesische Wirtschaft abhängig ist. Kein Wunder also, dass Peking dieses Seegebiet kontrollieren möchte, zumal hier auch Öl- und Gasvorkommen vermutet werden. "Es ist die gefährlichste Zeit überhaupt" Indem China immer mehr Inseln aufschüttet und sich langsam Riffe einverleibt, spielt es mit dem Feuer und schafft Fakten. Das UN-Schiedsgericht hat im Jahr 2016 eigentlich ein Urteil gefällt, welches die chinesischen Gebietsanbrüche ablehnt, doch das Urteil konnte Chinas Machthunger in der Region nicht stoppen. Im Gegenteil: Immer wieder testet das chinesische Militär die Reaktionsfähigkeit der Anrainerstaaten des Seegebietes. Die Folgen für die gesamte Region wiegen schwer: China rüstet auf und aufgrund dieser Bedrohungslage werden die Nachbarstaaten nachziehen. Die Nato und vor allem die USA werden in der Region immer präsenter, stärken ihre militärische Präsenz auf japanischen und philippinischen Inseln. Bislang versucht die Volksrepublik, keinen größeren Krieg zu riskieren. Deshalb setzt die chinesische Marine auf Wasserwerfer und Seeblockaden. Aber wie lange noch? Der Frieden in der Region scheint vor allem davon abzuhängen, ob die USA weiterhin die Pazifikregion als eine ihrer sicherheitspolitischen Prioritäten sehen. Eine Schwächephase der Amerikaner würde hier China in die Karten spielen. Der philippinische Botschafter in den USA, Jose Manuel Romualdez, sagte der "Finiancial Times": "Es ist die gefährlichste Zeit überhaupt. Massenvernichtungswaffen sind eine reale Bedrohung." Er ergänzte: "Wenn etwas passiert, wird die gesamte asiatische Region vollständig einbezogen."