Remis in Philadelphia: Ergebnis der Trump-Harris-Debatte bleibt wenig eindeutig
Von Kirill Benediktow
Die jüngste Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten endete objektiv unentschieden. Genauer gesagt erklären sich beide Seiten zum Sieger. Weiter hängt alles davon ab, wessen Unterstützergruppe lauter sind. Da die Unterstützer von Kamala Harris, für die 99 Prozent korporativer Medien arbeiten, lauter sind, gilt sie "einvernehmlich" als Siegerin der Debatte.
Die Reaktionen der Medien sind so überschaubar, sie wirken langweilig. Kamala wird großzügig zitiert, indem insbesondere ihre markigen Aussagen hervorgehoben und Trumps Antworten nur kurz zusammengefasst werden. Beispielsweise ist dies bei der Diskussion über Russland und Wladimir Putin zu sehen (wie könnten die US-Politiker den russischen Präsidenten nicht erwähnen!).
"Harris sagte Trump, Putin würde ihn zum Mittagessen verspeisen, und wenn der Republikaner im Jahr 2020 zum Präsidenten gewählt worden wäre, würde Putin jetzt in Kiew sitzen", berichtet der linksliberale TV-Sender CNBC und führt mehrere Zitate von Harris an, die über Putin erneut erzählen, dass er "in Kiew sitze und auf Europa blicke, vor allem auf Polen". Dass Putin "Trump zu Mittag verspeisen würde", wird auch wiederholt. Danach wird sparsam erwähnt, dass Trump "die Aussage von Harris bestritten und erklärt hat, es hätte überhaupt kein Krieg begonnen, wenn er im Jahr 2022 US-Präsident gewesen wäre". So was erzählen auch andere Medien über die Debatte, die die Demokraten unterstützen, das heißt, fast alle. Das Hauptziel besteht darin, das Publikum zu überzeugen, dass Harris Trump aufs Haupt schlug und den Schandfleck abwusch, der nach der desaströsen Debatte Joe Bidens am 27. Juni an den Demokraten haftete.
"Harris hat den schwierigen Gegner geschickt bewältigt. Das war, was die Verbündeten der USA sehen mussten", freut sich Politico. "Kamala Harris treibt Donald Trump in die Ecke bei der angespannten Debatte", meint die spanische El País. Die Aussage von Harris, dass Putin Trump zum Mittagessen verspeisen würde, gefiel der italienischen Nachrichtenagentur ANSA so gut, dass sie das Zitat in der Schlagzeile benutze und dabei nicht vergaß, dass Harris "Trump in die Ecke treibt" (die wortgleichen – wie kopierten – Formulierungen lassen vermuten, dass europäische Journalisten das gleiche Handbuch verwendeten). Die britische Times stellte fest, dass Trump zum Ende der Debatte "aus dem Gleichgewicht kam". Die französische Le Monde ist weniger kategorisch. Ihrer Meinung nach "treibt die angreifende Kandidatin der Demokratischen Partei den Ex-Präsidenten" lediglich "in die Enge". Die polnische Nachrichtenwebsite Onet griff vorhersehbarerweise die Worte von Harris über Putin auf, der in Kiew sitzt und auf Polen schaut, und interpretierte sie wie folgt: "Starke Worte von Kamala Harris an Donald Trump: 'Sie würden Polen weggeben!'" Hier ist aber alles klar: Worum es sich auch handelt, lassen die drei Teilungen Polens den Polen keine Ruhe …
Überraschenderweise (aber auch nicht übermäßig) erkennt sogar der mit den Republikanern sympathisierende Sender Fox News den Sieg von Harris an. "Mir ist ganz klar, dass Vizepräsidenten Kamala Harris am Dienstagabend die wohl einzige Debatte mit Ex-Präsident Donald Trump gewonnen hat", schreibt in einem Leitartikel Doug Schoen, Anwalt von Beruf, der Trump während des zweiten Amtsenthebungsversuches verteidigt hatte. Er gibt gleichzeitig zu, dass Harris von zwei Moderatoren von ABC News unterstützt wurde, die einen Faktencheck aller Aussagen des Ex-Präsidenten für notwendig zu halten schienen. Die Moderatoren unterbrachen Trump tatsächlich elfmal, um die Fakten zu überprüfen, und machten dies kein einziges Mal bei Harris.
Schoen geht in seinem Artikel vor allem davon aus, dass die Debatte wahrscheinlich keinen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der Wahlen am 5. November haben werde. Hier kann man ihm wohl zustimmen.
Der prominente konservative Fernsehmoderator Bill O'Reilly, der im Allgemeinen mit Trump sympathisiert, sagte seinerseits, dass die Debatte keinen Gewinner habe, weil Trump sich nur an seine Wähler wandte und Harris sich weigerte, konkrete Antworten auf die Fragen der Moderatoren zu geben.
O'Reilly zufolge hätte sich Trump auf internationale Fragen konzentrieren können, in denen seine Position viel stärker ist, stattdessen entschied er sich für Vorwürfe gegen haitianische Migranten, die Hunde und Katzen der Einwohner von Springfield im Bundesstaat Ohio stehlen und essen sollen. Die Geschichte ist in der Tat ziemlich umstritten: Die örtlichen Behörden dementieren offiziell die im ganzen Bundesstaat kursierenden Gerüchte über Migranten, die Haustiere fressen. Die Moderatoren haben es sich natürlich nicht nehmen lassen, Trump unter die Nase zu reiben, dass er Fake News verbreitet. Selbst wenn die Informationen später bestätigt sollten, wird dies Trump nicht helfen: In den Augen der Bürger bleibt er ein Lügner. Harris log aber bei der Debatte mehr als er – über die Ereignisse in Charlottesville 2017, wo es ihr zufolge keine linksextremen Aktivisten gab, sondern nur furchterregende rechtsextreme Faschisten und Rassisten, und über Fracking, das sie nie zu verbieten versprach (in Wirklichkeit tat sie es, man kann im Internet Videobeweise dafür finden). Um Kamala bei der Lüge zu erwischen, mussten die Moderatoren einen Faktencheck unternehmen, was sie nur bei Trump taten.
Das war noch nicht alles, was ABC News – das Unternehmen eines der wichtigsten Hochburgen der linksliberalen Agenda, und zwar der Disney Corporation – für die Unterstützung der demokratischen Kandidatin machte. Kamala wurde ein winziges Rednerpult zugewiesen, um den Größenunterschied auszugleichen: Harris ist 162,5 Zentimeter groß, Trump ist 190,5 Zentimeter groß. Das Team von Harris befürchtete, dass sie im Vergleich zu Trump winzig aussehen würde. Die US-Amerikaner bevorzugen bekannterweise fast immer den größeren Kandidaten, das kleine Rednerpult mit dem zweigeteilten Fernsehbild lässt beide Kandidaten gleich aussehen.
Aufmerksame Zuschauer bemerkten, die schönen Ohrringe von Harris könnten drahtlose Kopfhörer vom Typ Nova H1 Audio sein, über die man ihr mit Antworten ausgeholfen habe (denn der Teleprompter durfte nicht benutzt werden, und ohne ihn gerät sie ins Schwimmen wie ein schlechter Schüler bei der Prüfung).
Hier ist aber das Interessante: Unmittelbar nach dem Duell in Philadelphia, von dem alle Medien behaupteten, es habe mit einem Erdrutschsieg für Harris geendet, forderte der Stab der demokratischen Kandidatin eine zweite Präsidentschaftsdebatte mit Trump im Oktober. "Das hat Spaß gemacht. Lasst es uns wiederholen", schrieb Harris-Berater Brian Fallon. Trump reagierte sofort: "Sie wollen eine weitere Debatte, weil sie verloren haben. Wir werden also darüber nachdenken." Später deutete er in einem Gespräch mit Fox-News-Moderator Sean Hannity an, dass er einer neuen Debatte zustimmen werde, wenn sie auf einer "fairen Plattform" stattfinden werde. Dieser Schauplatz könnte das Studio von Fox News sein, wo die Chancen für Kamala weniger günstig wären als bei ABC News in Philadelphia, wo Trump nach seinen eigenen Worten "drei gegen einen" kämpfte.
Dass der Stab der Demokraten über eine zweite Debatte spricht, zeigt, dass Harris insgesamt schlechter abschnitt als Trump – unabhängig davon, wie viele Prozentpunkte CNN und andere Medienunternehmen ihr zubilligen. Es ist immer der Verlierer, der nach einer Revanche fragt.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 11. September bei RT Russisch.
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