Nicht nur gegen Flüchtlinge – Neue Überwachungs- und Zensurmaßnahmen richten sich gegen alle Bürger
Die Bundesregierung einigte sich nach den Tötungs- und Körperverletzungsdelikten in Solingen innerhalb kurzer Zeit auf ein neues sogenanntes "Sicherheitspaket". Wie der Focus unter Bezugnahme auf eine dpa-Meldung am Samstag berichtete, liege ein Gesetzentwurf zu den neu geplanten Sicherheitsmaßnahmen bereits vor. Demnach "wirbt" der Bundesjustizminister für rasche Beratungen über das geplante Gesetz. Offensichtlich reichen die bisherigen Gesetze für die Bewilligung der neuen Maßnahmen nicht aus.
Schon vor Tagen hatte die Ampel-Koalition die Details des sogenannten Sicherheitspakets festgelegt. Der Focus hob in seinem Beitrag insbesondere die angeblich neuen Möglichkeiten zur Abschiebung von Flüchtlingen hervor und zitierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mit der Aussage:
"Wir machen Abschiebungen leichter möglich, Sozialleistungen für Dublin-Fälle werden gestrichen und der Heimaturlaub von Flüchtlingen führt zum Verlust des Schutzstatus."
"Jetzt liegt es in den Händen des Parlaments, all das schnell auf den Weg zu bringen."
Dabei klangen Buschmanns Aussagen so, als habe man die "Maßnahmen" in den Tagen nach Solingen auf den Weg gebracht. Er erklärte: "In den vergangenen Tagen haben wir an der schnellen Umsetzung der Maßnahmen des Sicherheitspakets mit absolutem Hochdruck gearbeitet."
Nach der Mitteilung des Bundesjustizministeriums vom 30. August könnte man den Eindruck gewinnen, es ginge bei dem neuen "Sicherheitsgesetz" vor allem darum, Abschiebungen zukünftig "effizienter" durchzuführen: So kündigte das Bundesministerium an:
"Außerdem sollen Personen, die Menschen in Deutschland mit einem Messer angreifen oder bedrohen, künftig schnell abgeschoben werden können. Zudem sollen Kriminelle und Gefährder künftig auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden. In Dublin-Fällen werden Leistungen an Asylbewerber radikal gekürzt. Und schließlich soll zusammen mit den Ländern eine Dublin-Task-Force eingerichtet werden, um Rücküberstellungen nach dem Dublin-System zu verbessern."
Neben der Bekämpfung des "gewaltbereiten Islamismus" sollen nach dem Gesetzentwurf aber auch umfassende neue "Befugnisse" für die Sicherheitsbehörden geschaffen werden. Die Informationen dazu fallen in der BJM-Mitteilung allerdings am wortkargsten aus.
Auf der Webseite der FDP kann man in einer Meldung vom 4. September diesbezüglich schon mehr erfahren. Entsprechend der neuen Befugnisse solle beispielsweise Bundespolizisten zukünftig die Nutzung von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG, sogenannte Taser) flächendeckend gestattet sein. Die Erprobung der Distanzwaffen laufe bereits.
In dem Maßnahmenpaket dränge die Bundesregierung aber auch auf eine Verschärfung der Regelungen auf EU-Ebene. Der erst seit einem Jahr beschlossene Digital Services Act solle künftig auch "konkrete Straftatbestände" beinhalten, berichtet Heise am Donnerstag. Als Beispiel für Straftaten sei in dem Gesetzesentwurf etwa das "Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und Volksverhetzung" aufgeführt. Damit wolle die Ampel strafrechtliche Inhalte auf Online-Plattformen konsequent bekämpfen, hieß es zur Begründung dieser auf Internetinhalte ausgeweiteten Strafverfolgung bei Heise.
Die Gewerkschaft der Polizei habe bereits positiv bewertet, dass demnach auch biometrische Abgleiche zur Gesichtserkennung im Internet herangezogen werden können. Gemäß einem Beitrag im Behoerden-Spiegel vom Freitag fordere sie darüber hinaus "dringend" eine gesetzliche Regelung zum Einsatz hochauflösender Videotechnik bei Großveranstaltungen. Nach dem Anschlag von Solingen habe die Polizei nämlich auf Videomaterial von Privatpersonen zurückgegriffen, so der Bericht.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bemängelte hingegen, der Gesetzesvorschlag gehe nicht weit genug. In der Bild äußerte sich dazu der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU), und erklärte: "Die Ampel-Vorschläge reichen bei Weitem nicht aus für eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik und bei der inneren Sicherheit."
Datenschützer sehen das Vorhaben der Bundesregierung dagegen kritisch. So heißt es bei netzpolitik.org am 29. August: "Nach der Messerattacke von Solingen schlägt die Ampel einen Überwachungskurs ein. Sie plant ein Sicherheitspaket mit mehr Gesichtserkennung, Big-Data-Analysen und anlasslosen Kontrollen." Bundesinnenminister Buschmann, der sich bis vor ein paar Tagen noch gegen diese Maßnahmen ausgesprochen habe, sei nach Solingen offensichtlich eingeknickt, vermutet netzpolitik.org. Das Datenschutzportal schrieb zu dem neuen "Sicherheitspaket":
"Demnach sollen Ermittlungsbehörden die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten ('Gesichtserkennung') erhalten, um die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen zu erleichtern."
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