Union beharrt auf Zurückweisungen an der Grenze - Grüne skeptisch
Nach einem ersten Treffen mit der Bundesregierung zu einer umfassenden Asylreform pocht die Union weiter auf eine Zurückweisung von Menschen ohne Bleiberecht direkt an den deutschen Grenzen. Innenexperten der CDU/CSU wiesen am Mittwoch den Einwand von Koalitionsvertretern zurück, dass es solches Vorgehen rechtlich problematisch sei. Es gebe "keine Rechtsprechung, die dagegen spricht", sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) dem Portal "Politico".
Bei einem Treffen am Dienstag im Bundesinnenministerium hatten die oppositionelle Union und Vertreter von Koalition und Ländern sondiert, ob sie gemeinsam eine Reform zur Verschärfung des Asyl- und Migrationsrechts auf den Weg bringen könnten. Die Beteiligten aller Seiten sprachen hinterher von konstruktiven Beratungen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte zu, "bestimmte Punkte, die wir vertraulich besprochen haben, rechtlich zu prüfen und dann weiter zu beraten".
Politiker von CDU und CSU hatten nach dem Treffen vom Dienstag klar gemacht, dass sie die Gespräche mit der Koalition über eine gemeinsame Asylreform nicht fortsetzen wollen, wenn es keine Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gebe. Nur so, argumentiert die Union, lasse sich die Zahl der Zuwanderer spürbar begrenzen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Gespräche mit der Union nach Angaben von Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner fortsetzen, um zu einer "guten gesamtstaatlichen Lösung dieses wichtigen Themas" zu kommen. Eine öffentliche Positionierung in der Frage der Zurückweisungen lehne Scholz wegen der Vertraulichkeit der Beratungen ab: "Deshalb werde ich jetzt hier nicht irgendwie mich einlassen, zu wozu der Bundeskanzler bereit oder nicht bereit ist", sagte Büchner.
Auch das Bundesinnenministerium lehnte mit Verweis auf die vereinbarte Vertraulichkeit Detailangaben zu den Gesprächen mit der Union ab. Zum Thema Zurückweisungen sagte ein Sprecher allerdings, dass es "natürlich dafür rechtliche Grundlagen" gebe. Im Rahmen von Binnengrenzkontrollen würden solche Zurückweisungen auch vorgenommen - seit vergangenen Oktober sei dies in rund 30.000 Fällen passiert.
In der Diskussion geht es um Geflüchtete, die unter die sogenannte Dublin-Verordnung fallen. Dabei ist in der EU für ein Asylverfahren dasjenige Mitgliedsland zuständig, in dem ein Geflüchteter zuerst EU-Territorium betreten hat. Die Union fordert, diese Menschen an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie nach Deutschland weiterreisen wollen.
Derzeit sieht die Praxis so aus, dass viele der Betreffenden in Deutschland einreisen dürfen; hier prüfen die Behörden dann, welches andere EU-Land für den Flüchtling zuständig ist. Dieses Land müsste dann gemäß EU-Recht den Geflohenen eigentlich zurücknehmen - tatsächlich funktioniert diese Rücküberstellung in der Praxis aber kaum, wie die Union moniert.
Zurückweisungen an der Grenze entsprächen deutschem Recht, sagte CDU-Politiker Frei gegenüber "Politico". Frei nahm die Regierung in diesem Punkt in die Pflicht. "Wir müssen die grundlegende Frage klären, ob sich die Bundesregierung durchringen kann, diesen Beitrag zu einer drastischen Reduktion der Migration nach Deutschland zu schaffen", sagte er.
Frei betonte, in der Runde am Dienstag habe es "gute Gespräche" gegeben. "Aber am Ende des Tages ist für uns entscheidend, dass wir wirklich eine nachhaltige, eine eklatante Verkleinerung der Migration nach Deutschland erreichen".
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic widersprach den Forderungen. "Zurückweisungen von Asylsuchenden an der Grenze sind nach Europarecht nicht zulässig, da hier die Dublin-Verordnung anwendbar ist und im Rahmen des Asylverfahrens der zuständige Mitgliedstaat bestimmt werden muss", sagte Mihalic den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist in der Regel nicht ganz einfach und es wäre auch praktisch unmöglich, dies an der Grenze durchzuführen."
SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese hält Zurückweisungen an der deutschen Grenze für ein mögliches Mittel zur Eindämmung der irregulären Migration. Deutschland müsse die "richtigen nationalen Maßnahmen" ergreifen, bis die neuen Regeln der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems Mitte 2026 final in Kraft treten, sagte Wiese dem "Tagesspiegel". "Ein Baustein hierbei kann die Zurückweisung an den deutschen Grenzen sein", fügte der SPD-Politiker hinzu.