VW-Krise: Ob Polo, Golf und Co. jetzt in Gefahr sind
VW hat einen harten Sparkurs angekündigt und schließt auch Entlassungen und Werksschließungen nicht mehr aus. Was das für die Produktpalette bedeutet. Volkswagen verschärft seinen Sparkurs drastisch und stellt erstmals in seiner Geschichte Werke in Deutschland auf den Prüfstand . Ohne schnelles Gegensteuern könne nicht ausgeschlossen werden, dass Autowerke und Komponentenfabriken geschlossen würden, teilte das Unternehmen am Montag intern mit. Zudem soll die seit 1994 geltende und bis 2029 laufende Beschäftigungssicherung aufgekündigt werden. Der Konzern an sich ist nicht das Problem: Die Volkswagen Group mit ihren zehn Marken war mit einem Absatz von rund 8,9 Millionen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie einem Weltmarktanteil von 10,9 Prozent 2023 der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt. Der Gesamtabsatz stieg überdurchschnittlich um 11,9 Prozent, davon 40 Prozent in Europa. Doch die Kernmarke VW strauchelt. Die Probleme haben sich bereits seit mehreren Jahren angedeutet, die Gründe sind vielfältig: Verkrustete Strukturen, aber auch hohe Investitionen in neue E-Modelle, bei denen die Nachfrage jetzt lahmt – in Wolfsburg gibt es viele Baustellen. Deshalb war bereits vor einem Jahr ein Sparprogramm ausgerufen wurde, das offenbar nicht reicht. Auswirkungen auf die Modellpalette? Hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Produktpalette der Marke? Vermutlich nicht. Die Planungen sind langfristig angelegt, der Neustart einzelner Modelle benötigt mehrere Jahre Vorlauf. "Die Modellpolitik wurde bereits angepasst", sagt Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR (Center Automotive Research) in Bochum zu t-online. Laut Dudenhöffer liegt das Problem vor allem an den Kosten der deutschen VW-Standorte und der Unterauslastung. Bereits jetzt hat sich VW von unrentablen Modellen getrennt: Der Passat ist in Europa nur noch als Variant erhältlich, der T-Roc wird künftig nicht mehr als Cabrio vorfahren. Der Arteon als schickes Passat-Coupé ist ebenfalls Geschichte. Der Kleinstwagen Up und der Transporter T6.1 wiederum wurden eingestellt, weil sie nicht mehr die aktuellen Anforderungen an Cybersicherheit erfüllen konnten. Ein Blick auf die Details: Ein günstiges Basismodell wie den Up gibt es nicht mehr. Verhandlungen mit Renault , gemeinsam einen Kleinstwagen mit E-Antrieb zum günstigen Preis zu entwickeln, sind gescheitert. 2027 wollen die Wolfsburger dennoch einen Basisstromer mit Arbeitstitel ID.1 auf den Markt bringen. Wie genau es mit dem Kleinwagen Polo weitergeht, ist noch ungewiss: Die reine Verbrennerversion ist seit 2021 auf dem Markt. Mit dem ID.2 soll 2026 ein Kleinwagen in seiner Größenkategorie starten – jedoch rein elektrisch. Frisch geliftet ist auch das Kompakt-SUV T-Cross, das in den Statistiken als bezahlbares SUV-Modell vorn mitfährt, die Coupéversion Taigo dürfte auch nicht wackeln. Der Kompaktwagen Golf hat gerade ein Facelift bekommen. Auch wenn SUVs dem Bestseller ein wenig den Rang abgelaufen haben: Die neue Generation soll Ende des Jahrzehnts auf den Markt kommen und wird wahrscheinlich die Zweiteilung zwischen Verbrenner- und Elektromodellen aufheben. Als ID.Golf wäre er auch die Ablösung für den ID.3. Das erfolgreiche Kompakt-SUV T-Roc, der dem Golf immer wieder den ersten Platz in den deutschen Zulassungsstatistiken streitig macht, bekommt bald einen Nachfolger – allerdings nicht als Cabrio. Neu auf dem Markt ist das SUV Tiguan, das demnächst auch in einer verlängerten Version präsentiert wird. Geplant ist auch eine elektrische Version, die ursprünglich in Wolfsburg gebaut werden sollte. Möglich, dass ID.4 und ID.5 langfristig in dieser Baureihe aufgehen. Auch das Mittelklassemodell Passat ist gerade neu gestartet. Statt in Emden läuft er nun aber zusammen mit dem Škoda Superb in Tschechien vom Band. Frisch geliftet ist auch das große SUV Touareg. Es tritt auch in die Fußstapfen der erfolglosen Luxuslimousine Phaeton. Ob der Touareg jedoch langfristig eine Chance hat, ist offen. Der Elektrobus ID.Buzz hat eine neue Basisvariante für 50.000 Euro, der T7 Multivan wird wie er in Hannover gebaut. In Kooperation mit Ford entsteht der neue Transporter – er wird nicht mehr von VW gebaut. Dafür baut VW den Hochdachkombi Caddy auch in einer Variante von Ford. Auch den Pick-up Amarok produziert VW nicht selbst, er basiert auf dem Ford Ranger. Außerdem im Angebot ist noch der große Transporter Crafter, der auch in einer MAN-Version entsteht. Er wurde gerade für seine zweite Lebenshälfte frisch gemacht. Das Problem mit den Stromern So erfolgreich wie VWs Verbrennermodelle wie Golf, Polo, Tiguan, T-Roc oder Passat sind die elektrischen Fahrzeuge der ID.-Reihe nicht. Etwas mehr als eine Million Stromer hat die Marke VW seit 2020 verkauft – Tesla hingegen hat allein 2023 1,8 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Mit dem Wegfall der E-Auto-Förderung ist es in Deutschland für alle Hersteller noch schwieriger geworden, Stromer an die Kunden zu bringen: Die Zulassungen des ID.3 stürzten zwischen Juni und Juli 2024 von 6.370 auf 935 ab. Auch der Retro-Bulli ID.Buzz will nicht so in Gang kommen wie erhofft – woran wohl auch der Startpreis von fast 70.000 Euro seinen Anteil haben dürfte. Ein günstigeres Basismodell für rund 50.000 Euro mit kleinerer Batterie und weitere Varianten wie der sportliche GTX sollen es richten. Etwas Grund zum Optimismus gibt die Entwicklung beim großen Modell ID.7, das im Werk in Emden gebaut wird: Hier soll die Nachfrage nach einer anfänglichen Flaute an Fahrt aufnehmen, heißt es: Das Unternehmen hat demnach die Produktionsziele für das Werk in Emden für kommendes Jahr auf rund 190.000 Autos erhöht - 50.000 mehr als geplant, berichtet "elektroauto-news.net". Bezahlbare Autos fehlen Im Segment der bezahlbaren Stromer will VW jedoch erst 2026 mit dem ID.2 einen Kleinwagen mit einem Startpreis von rund 25.000 Euro auf den Markt bringen, der noch günstigere ID.1 folgt noch später. Die Konkurrenz ist deutlich weiter. So bietet Renault seinen elektrischen R5 Ende des Jahres an, Citroën hat den e-C3 ab 23.300 Euro im Angebot, weitere Modelle dürften ab dem kommenden Jahr folgen. Aber auch unabhängig vom E-Auto: Einen günstigen Verbrenner hat VW derzeit ebenfalls nicht im Angebot. Herausforderungen mit neuen CO2-Grenzen Eine weitere Herausforderung kommt ab 2025 auf VW zu: In der EU treten neue CO2-Ziele in Kraft. Autohersteller müssen künftig mehr Autos mit weniger Schadstoffausstoß verlaufen – sprich: E-Autos oder Hybride. Berechnungen zufolge muss die Marke 15 Prozent mehr E-Autos verkaufen, um dieses Ziel zu erreichen. 25 Prozent der verkauften Autos müssten dann Stromer sein, derzeit sind es 9,7. Um das zu erreichen, dürfte ab dem kommenden Jahr ein neuer Preiskampf beginnen – gut für die Kunden, schwierig für die Hersteller, deren Gewinnmargen schrumpfen. Volkswagen will in den kommenden Jahren 180 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren, 120 Milliarden in Digitalisierung und E-Mobilität – und allein 60 Milliarden in Verbrennungsmotoren. "Alle Autobauer brauchen für Europa und USA wieder die Verbrenner und deshalb wird in die Verbrenner nochmals investiert. Und das gilt auch für den VW-Konzern", so Autoexperte Dudenhöffer. Denn schon im gelifteten Golf zeigt sich, wozu moderne Plug-in-Hybride in der Lage sind: mehr als 100 Kilometer rein elektrische Reichweite und dennoch ein Verbrennungsmotor unter der Haube – was kritische Kunden zum Kauf verleiten könnte.