Oberbayerische Alpen: Schonzeit-Ausnahmeregeln bei Gamswild sorgen für Protest
Die Gams ist ein Symboltier der Alpen. In Teilen Oberbayerns darf Gamswild während der Schonzeit gejagt werden. Die Bezirksregierung will diese Ausnahmeregelung verlängern. Dagegen gibt es Protest.
Seit Jahren regelt eine Ausnahmeverordnung der Regierung von Oberbayern den Umgang mit Gamswild während der Schonzeit in den Gebirgswäldern der Alpen. In einigen Regionen dürfen die Tiere somit ganzjährig geschossen werden. Ziel ist es insbesondere, den Verbiss an Bäumen in Hanglagen zu reduzieren, an denen Lawinen drohen können. Aus Sicht von Wildtierschutz-Organisationen sind die Ausnahmen unverhältnismäßig und bedrohen die Gamsbestände.
Die seit 2019 gültige letzte Schonzeit-Aufhebungsverordnung ist zum 31. Juli ausgelaufen, eine Nachfolgeverordnung in Arbeit, wie die Regierung von Oberbayern mitteilte. Hierzu konnten Fachstellen und Verbände Stellung beziehen.
Etwa 60 Prozent der Gebirgswaldflächen dienen einem Sprecher der Bayerischen Staatsforsten zufolge als Schutzwald. Dieser soll Siedlungen, Gewerbegebiete oder Infrastruktur vor allem vor Lawinen oder Muren schützen.
Schutz junger Bäume vor Verbiss
Einige Schutzwälder könnten diese Funktion nicht mehr erfüllen aufgrund von Nutzung, Klimawandel oder Verbiss, erläutert der Sprecher. Deswegen liefen seit Jahren auf insgesamt rund 10.000 Hektar Schutzwaldfläche Sanierungsmaßnahmen. Es würden Bäume gepflanzt, die in 30 bis 50 Jahren hochgewachsen sein sollen. Die jungen Bäume seien für das Gamswild "besonders wohlschmeckend", insofern richteten die Tiere große Schäden an.
Deswegen gebe es eine Schonzeitaufhebung in diesen und angrenzenden Gebieten, so dass Gamswild - mit Ausnahme von Muttertieren - dort auch während der Schonzeit gejagt werden darf. Diese Fläche habe in der Verordnung von 2019 rund 26.000 Hektar betragen, 2024 soll sie laut Staatsforsten um etwa 14 Prozent verkleinert werden.
Interessen von Wald und Wild
Der Bayerische Jagdverband (BJV) spricht von einer angestrebten Verringerung um mehr als 17 Prozent und legt einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem den Bedürfnissen des Gamswildes besser Rechnung getragen werden soll. So fordert der BJV unter anderem, dass auf beweideten Flächen in den Schonzeitaufhebungsgebieten nicht gejagt werden darf; dass in einem Teil der Gebiete zumindest im Februar und März nicht gejagt werden darf; dass in den Aufhebungsgebieten ganzjährig keine Futterstellen und Salzlecken aufgestellt werden dürfen, um Gamswild dorthin zu locken.
"Die Gams ist das Symboltier der bayerischen Alpen", sagt Jägerpräsident Ernst Weidenbusch. "Wir müssen dafür sorgen, dass das Zusammenleben von Wild und Wald funktioniert und sichern mit unseren Forderungen den Aufwuchs des Schutzwaldes, ohne die Gamswildbestände zu gefährden.
Wildtierschützern gehen diese Forderungen nicht weit genug. Seit rund 25 Jahren gebe es in vielen Gebieten der oberbayerischen Alpen für Gamswild keine Schonzeit mehr, kritisiert der Verein Wildes Bayern. Notwendig sei das in dieser Form nicht, sagt Vorsitzende Christine Miller. Ihr Verein habe bereits gegen die Schonzeitaufhebungsverordnung von 2019 geklagt. Endgültig entschieden sei darüber noch nicht.
Auch Klimawandel bedroht Lebensraum der Gämsen
Etwa 80 Prozent des Lebensraums der Gämsen werde von den Bayerischen Staatsforsten bewirtschaftet, und fast jede fünfte Gams dort werde in der Schonzeit erlegt, so Miller. In den Chiemgauer Alpen beispielsweise falle fast die gesamte für Gamswild als Winterlebensraum geeignete Fläche in das Schonzeit-Aufhebungsgebiet. Die Tiere könnten im Winter nicht einfach in andere Gebiete ausweichen.
Auch die Deutsche Wildtier Stiftung in Hamburg lehnt die Schonzeitaufhebungen "mit wenigen Ausnahmen" ab, wie ein Sprecher sagt. Die Flächen, auf denen die Wälder dem Objektschutz dienen, seien deutlich kleiner als die der Schonzeit-Aufhebungsgebiete.
Die Gams sei zwar nicht vom Aussterben bedroht, stehe aber im sogenannten Anhang 5 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Darin sind Arten aufgelistet, bei denen unter anderem ein günstiger Erhaltungszustand sichergestellt werden muss. Dieser sei, sagt der Sprecher, durch Klimawandel, Tourismus und Bejagung mittel- und langfristig in Gefahr.