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Август
2024

USA: Ketamin soll Depressionen heilen – aber es tötete Matthew Perry

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Matthew Perry starb an einer Überdosis Ketamin – ein Narkosemittel, das auch bei Pferden zum Einsatz kommt. Wie der "Friends"-Star an die Droge kam und wie sie wirkt, zeigt nun ein Polizeibericht.

Matthew Perry redete zu Lebzeiten viel über seine Drogensüchte. Er erzählte von den Dämonen, die ihn immer wieder dazu brachten, das nächste High zu suchen. Der Schauspieler sprach eindrücklich darüber, wie er am Set der Kult-Serie "Friends" völlig zugedröhnt war. Und wie ihn die Drogen fast getötet hätten. Er zeichnete in der Öffentlichkeit das Bild eines geheilten und geläuterten Süchtigen. Allzu gern wollte man es ihm glauben.

Die Wahrheit war leider eine andere. Matthew Perry starb im vergangenen Oktober im Hot Tub in seiner Villa in Los Angeles. Und wie nun ausführliche Ermittlungen des Los Angeles Police Department (L.A.P.D.) zeigen, löste eine Überdosis des Narkosemittels Ketamin den Tod des 54-Jährigen aus. Ein Stoff, der auch in der Tiermedizin als Anästhetikum genutzt wird aber zunehmend auch in der Suchttherapie eingesetzt wird. Denn Ketamin hat eine psychedelische Wirkung und beeinflusst wohl Depressionen und posttraumatische Störungen positiv. Es wird angenommen, dass Ketamin bei richtiger Anwendung unter ärztlicher Aufsicht helfen kann, neurologische Muster zu durchbrechen, die als Auslöser für Suchterkrankungen gelten. 

Matthew Perry FS 10.44

Auch Perry, so zeigen die Ermittlungsakten, wurde von einen Arzt mit dem Mittel behandelt. Zum ersten Mal vor einigen Jahren in der Schweiz. Eindrücklich schrieb er in seiner Autobiographie "Friends, Lovers, and the Big Terrible Thing" von dem Tag, als er in einer Reha-Einrichtung die erste Dosis bekam. Zum Einsatz sei das Mittel gekommen, um damit seine "Schmerzen zu lindern und gegen die Depression", so der Schauspieler. Er schrieb: "Es war, als wäre es wie für mich gemacht – sie hätten es auch 'Matty' nennen können." Es habe sich für ihn angefühlt wie ein "gigantisches Ausatmen". Perry fährt fort: "Als die Musik spielte und das K in meine Venen lief, drehte sich plötzlich alles um das Ego und den Tod des Egos. (...) Ich habe oft gedacht, dass ich während dieser Stunde sterbe. Oh, dachte ich, das passiert, wenn man stirbt." Der 54-jährige gab zu, sich zu Ketamin hingezogen gefühlt zu haben. Es sei, als werde man mit einer riesigen Schaufel Glücklichsein beworfen. Nach einen äußerst unangenehmen "Kater" kam er aber zu dem Fazit: "Ketamin war nichts für mich."

Matthew Perry geriet in eine Spirale der Abhängigkeit

Aber irgendwann muss er zu dem Medikament zurück gekehrt sein. Er wurde vor seinem Tod damit auch legal von Ärzten in der Klinik behandelt. Später, als er abhängig von dem Mittel war, besorgte er es sich aus dubiosen Quellen und ließ es sich mehrmals täglich von seinem Assistenten spritzen. Am 28. Oktober, nachdem er drei Ladungen bekommen hatte, starb er mit dem Gesicht nach unten in seinem Pool in Los Angeles. Im Autopsiebericht steht nun nach langen Ermittlungen, dass Matthew Perry an den "akuten Folgen von Ketamin" gestorben sei. Außerdem habe Ertrinken zu seinem Tod beigetragen.

In den USA, die oft einen laxeren Umgang mit Medikamenten haben, sind Ketamin-Behandlungen populär. Und das obwohl es durchaus Kritik gibt. Ketamin wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Im Vietnam-Krieg betäubten Militärärzte verletzte Soldaten damit. Seitdem kommt es sowohl in der Human- als auch Tiermedizin zum Einsatz. Bei Pferden zum Beispiel. Sicher, Ketamin scheint bei Menschen hilfreich bei der Behandlung von schweren Depressionen zu sein, aber es ist auch bekannt für seine starken dissoziativen Effekte. Und die können bei unsachgemäßer Anwendung psychische Instabilität verstärken. Außerdem gibt es Berichte von Patienten, bei denen die Therapie zu einer Verschlimmerung der Symptome geführt hat. Zudem besteht die Gefahr, dass der therapeutische Nutzen von Ketamin zu Abhängigkeit und Missbrauch führt – ein Risiko, das besonders bei Menschen mit einer Vorgeschichte von Suchterkrankungen besonders hoch zu sein scheint. 

STERN PAID 09_23 Titel Depressionen Rauschmittel

Genau das ist wohl bei Matthew Perry passiert. Die Ermittlungsakten der Polizei zeichnen das Bild eines schwer abhängigen Mannes, der in den letzen Tagen seines Lebens immer auf der Jagd nach dem nächsten Schuss war. Als seine behandelnden Ärzte es ablehnten, die Dosis zu erhöhen, besorgte er sich das Mittel in steigenden Mengen aus illegalen Quellen. Inzwischen wurden fünf Personen, darunter zwei Ärzte, im Zusammenhang mit dem Tod des Schauspielers verhaftet und angeklagt. 

Nachdem ein Arzt wohl die weitere Behandlung mit Ketamin abgelehnt hatte, denn die Symptome der Depression waren deutlich besser geworden, beauftragte Perry etwa einen Monat vor seinem Tod seinen Assistenten Kenneth Iwamasa, ihm das Mittel zu besorgen. Gegen 8 Uhr 30 am Morgen des Todestages bekam Perry eine Ketamin-Dosis verabreicht. Nur vier Stunden später eine zweite. Und bevor er in den Hot Tub stieg noch eine dritte. Laut Ermittlungsakten sagte er zu Iwamasa, der keinerlei medizinische Ausbildung hat: "Shoot me up with a big one." Übersetzt heißt das so viel wie: "Spritz mir eine große Dosis."

Den Angeklagten drohen bis zu 25 Jahre Haft

Inzwischen ist der 59-jährige Iwamasa einer der Angeklagten im Todesfall Perry. Laut Ermittlungsbehörde muss sich außerdem der Arzt Salvador Plasenica verantworten. Er hat dem Schauspieler Ketamin verkauft und gespritzt. Ebenso angeklagt ist die Drogendealerin Jasveen Sangha, Spitzname "The Ketamin Queen". Das von ihr verkaufte Ketamin soll den Tod Matthew Perrys verursacht haben. Ihr drohen nun bis zu zehn Jahre Gefängnis. Die anderen Beteiligten könnten zu bis zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt werden.

Die Ermittlungsakte zeichnet ein sehr genaues Bild, wie Ketamin in Hollywood illegal gehandelt wird. Erlaubt aber auch einen intimen Einblick in die letzten Wochen des Lebens von Matthew Perry. Auch wenn er nach außen hin den Eindruck des gesunden und fröhlichen Mannes vermittelt hat, sah es hinter der Fassade demzufolge ganz anders aus. Geradezu verzweifelt versuchte der beliebte Schauspieler immer neue Dosen Ketamin zu kaufen. Dafür gab er mehrere zehntausend Dollar innerhalb weniger Wochen aus. Bis zu acht Mal täglich ließ er sich Ketamin spritzen.

Am 30. September 2023, knapp einen Monat vor seinem Tod, kamen Plasencia and Chavez zum ersten Mal in Kontakt mit Perry. "Ich bin neugierig, wie viel der Idiot bezahlen wird", schrieb der eine dem anderen. Wenig später besuchte Plasencia den Star in dessen gerade neu renoviertem Haus mit Blick über den Pazifik und spritzte ihm zum ersten Mal Ketamin. Außerdem hinterließ er Spritzen und zeigte dem Assistenten, wie man diese verabreicht. 4500 Dollar zahlte Perry für diesen besonderen Hausbesuch.

Unter dem Codenamen "Dr. Pepper" wurde Nachschub bestellt

Seine Sucht entglitt rasch. Mit dem Codewort "Dr. Pepper" bestellte Iwamasa Nachschub. Die Folgen waren dramatisch. Am 12. Oktober reagierte Perry heftig auf das Ketamin, sein Blutdruck schoss nach oben. Und sein Körper fror regelrecht ein. Er habe sich weder bewegen noch sprechen können, so heißt es nun. 

Nach dem Tod Perrys Ende Oktober versuchten alle Beteiligten die Spuren zu beseitigen. Sein Assistent Iwamasa entsorgte alle Hinweise auf die illegalen Drogen in der Villa. In verschlüsselten Textnachrichten auf Signal sprach man sich ab über das weitere Vorgehen und wie man sich von dem Schauspieler distanziere. Beinahe wären sie damit davon gekommen. Ermittler hatten den Fall zunächst als tragischen Unfall bezeichnet. Monate später werfen die Ermittlungsergebnisse nun ein neues Licht auf Perrys Tod – und welche Rolle Ketamin dabei spielte.