Bildung: GEW sieht trotz höher Bezahlung viele Probleme an Schulen
In wenigen Tagen beginnt das neue Schuljahr in Niedersachsen. Eine große Gewerkschaft ist in vielerlei Hinsicht besorgt.
Trotz einer höheren Bezahlung vieler Lehrkräfte sieht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zahlreiche Probleme für das in Kürze beginnende neue Schuljahr. Eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsversorgung sei trotz der Anhebung der Bezüge vieler Pädagogen nicht in Sicht, sagte der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer in Hannover. Am Montag beginnt das neue Schuljahr in Niedersachsen.
Die Unterrichtsversorgung ist in Niedersachsen seit Jahren ein Streitthema. Zuletzt lag dieser Wert bei 96,9 Prozent und stieg damit leicht an. Je nach Schulform ist der Wert höher oder niedriger. An Gymnasien lag die Unterrichtsversorgung mit Stand August 2023 bei fast 100 Prozent, an Förderschulen hingegen waren es nur 91,6 Prozent.
Höhere Bezahlung ab neuem Schuljahr
Werte von über 100 Prozent ergeben sich, wenn über das Pflichtangebot hinaus Lehrer für weitere Angebote oder etwa Vertretungsstunden zur Verfügung stehen. Viele Experten sehen einen Wert von mehr als 100 Prozent als notwendig an, um ein ausreichendes Unterrichtsangebot machen zu können. Laut GEW wären 1.300 weitere Stellen notwendig, um im neuen Schuljahr einen Wert von 100 Prozent erreichen zu können.
Das Land will unter anderem mit einer höheren Bezahlung dem Lehrkräftemangel gegensteuern. Zu Beginn des neuen Schuljahres wird das Gehalt vieler Lehrkräfte angehoben, die dann in eine höhere Besoldungsgruppe kommen. Laut Kultusministerium profitieren davon rund 35.500 Lehrkräfte. Zum Vergleich: Mehr als 71.000 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten an Niedersachsens allgemeinbildenden Schulen. Die Gewerkschaft hat in Niedersachsen nach eigenen Angaben rund 30.000 Mitglieder.
GEW: Höhere Bezahlung verhindert Abwanderungswelle
Bei einer Vollzeitbeschäftigung bedeutet der Sprung ein Plus von mehreren hundert Euro im Monat. "Die Besoldungsanpassungen waren längst überfällig und werden Niedersachsen langfristig vor einer Abwanderungswelle bewahren", betonte der GEW-Landesvorsitzende.
Im Landeshaushalt für das kommende Jahr sollen zudem insgesamt 2.460 weitere Stellen an Schulen bereitgestellt werden, um allen Lehrkräften, die in diesem und kommenden Jahr in Niedersachsen den Vorbereitungsdienst absolvieren, ein Einstellungsangebot machen zu können.
Noch einige ausgeschriebene Lehrerstellen nicht besetzt
Kurz vor dem Start des neuen Schuljahres sind mehr als 80 Prozent der ausgeschriebenen Lehrerstellen besetzt. Mit Stand 22. Juli waren es laut Kultusministerium etwas mehr als 1.200 von 1.467 ausgeschriebenen Stellen. Das Ministerium sprach von einem guten Wert. Man sei zuversichtlich, dass weitere besetzte Stellen in den kommenden Tagen hinzukämen.
Das Einstellungsverfahren werde zudem auch über den 1. August hinaus fortgeführt, sodass weitere Besetzungen erfolgen könnten. Neue Zahlen und einen generellen Ausblick auf das neue Schuljahr will Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) am Freitag im Landtag geben.
Mit Blick auf die Besetzung von ausgeschriebenen Lehrerstellen teilte der Verband niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) mit, dass insbesondere Schulformen abseits von Gymnasien sowie die ländlichen Regionen Zahlen verzeichneten, die unter dem Durchschnitt liegen würden. "Die Folgen können verheerend für die weitere schulische Laufbahn aller Schülerinnen und Schüler sein", warnt Verbandsvorsitzender Torsten Neumann.
GEW: Mehrere Faktoren für Flächenbrand
Die GEW sprach von einer hohen Belastung für Lehrkräfte. Krankenstände würden steigen, viele würden vorzeitig in Pension gehen oder ihre Arbeitsstunden reduzieren. "All das sind offensichtliche Faktoren eines um sich greifenden Flächenbrandes", sagte Störmer.
Laut GEW hat sich die Zahl der Krankentage von Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen im Land deutlich erhöht – waren es im Schuljahr 2019/20 durchschnittlich noch neun Krankheitstage, so waren es im Schuljahr 2022/23 schon im Schnitt 14 Fehltage pro Lehrkraft.
Mehr Unterricht für Erstklässler
Besorgt blickt die Gewerkschaft auch auf die Grundschulen. Vom neuen Schuljahr an erhalten Erstklässler in Niedersachsen eine zusätzliche Stunde Unterricht, um die Grundkompetenzen zu stärken, also Schreiben, Lesen und Rechnen.
Landesschülerrat-Vorsitzender Matteo Feind sieht das größte Problem im Lehrkräftemangel. "Gerade an den Schulen, die viele Schüler ohne Abschluss verlassen, sollte mehr pädagogisches Personal eingesetzt werden", forderte er. Feind vertritt die rund eine Million Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen.