Künstlereinkommen: Kulturförderung in NRW nur bei Mindest-Honorar für Künstler
Das Bild vom armen Künstler hat sich über Jahrhunderte eingeprägt und ist auch heute allzu oft noch Realität. NRW versucht einen Einstieg, um das zu beenden.
Nordrhein-Westfalen beginnt am 1. August damit, Landesförderungen für Kultureinrichtungen verbindlich an Honoraruntergrenzen für Künstler zu knüpfen. Nach jahrelangen Vorbereitungen startet NRW zunächst bei zwei reinen Landesprogrammen mit Mindesthonoraren. Ab 2026 werde dies dann bei allen Kulturförderungen, an denen das Land beteiligt ist, uneingeschränkte Voraussetzung sein, kündigte NRW-Kulturministerin Ina Brandes (CDU) in Düsseldorf an.
Damit knüpfe NRW als erstes Flächenland konsequent eine Landesförderung an Mindesthonorare für Künstlerinnen und Künstler, erklärte sie. "Es gibt keine Bagatellgrenze." Das Junktim gelte schon ab dem ersten Euro Landesförderung. Das sei anders als beim Bund, wo Honoraruntergrenzen erst eingehalten werden müssen, wenn ein Projekt oder eine Institution zu mindestens 50 Prozent von der Bundesregierung gefördert wird. Das gilt seit dem 1. Juli verbindlich.
Viele Künstler trotz Hochschulabschluss an der Armutsgrenze
Anlass für die Initiative sind die häufig prekären Einkommensverhältnisse vieler freischaffender Künstler. Obwohl die meisten über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen, bewegt sich ihr Jahreseinkommen laut Statistiken der Künstlersozialkasse (KSK) oft nahe der Armutsgrenze. Viele müssten sich mit Nebenjobs über Wasser halten, berichtete Brandes.
Etliche fielen auch durch die Sozialversicherungsnetze - vor allem, wenn über längere Zeit Engagements ausbleiben. Daher sei eine bundesweite Absicherung solcher Lücken in der Erwerbsbiografie über die KSK eine zweite wichtige Säule der angepeilten Verbesserungen, betonte Brandes. "Ziel ist, dass Vollzeit arbeitende Künstlerinnen und Künstler ihren Lebensunterhalt und einen Teil ihrer sozialen Absicherung bestreiten können", erläuterte die Ministerin.
Die Kultusministerkonferenz hatte sich 2022 bereits auf eine Honorar-Matrix geeinigt, die künstlerische Tätigkeitsarten - unter anderem Autor, Aktionskünstler, Schauspieler, Sänger, Tänzer oder Chorleiter - sowie Formate clustert, etwa Lesungen, Ausstellungen oder Vorstellungen. Die Länder sind aufgefordert, diese einheitliche Grundstruktur mit Zahlen zu füllen.
Die NRW-Matrix: Von der Kunst leben statt Taxi fahren
Die gestuften Basis-Honorare für NRW sehen beispielsweise für eine rund 90-minütige Autoren-Lesung zwischen 250 und 500 Euro vor - gestaffelt nach der erwarteten Besucherzahl. Bei Ausstellungen richtet sich das Mindesthonorar auch nach Wirtschaftskraft und Reichweite der jeweiligen Einrichtung sowie der Ausstellungsdauer. Hier liegt die Spanne zwischen 600 und 1200 Euro. Wird ein Angebot von mehreren Künstlern getragen, gibt es anteilige Honorierungen. Ähnlich wird das durch zahlreiche weitere Sparten und Tätigkeiten durchdekliniert.
"Wir wollen verhindern, dass Künstlerinnen und Künstler Taxi fahren müssen", erläuterte Brandes. "Wir können sie nicht systematisch so schlecht bezahlen, dass sie eigentlich keine Chance haben, von ihrem Beruf zu leben."
Corona-Pandemie offenbart die Misere
Jahrelang sei das hingenommen worden. "Dann kam Corona." Das sei ein Augenöffner gewesen. "Wir haben in der Corona-Pandemie gelernt, dass das kein guter Zustand ist." Die Spanne der besonders schlecht bezahlten Künstler reiche von Beschäftigten in der kulturellen Bildung bis hin zu Jazzmusikern.
Mit zwei zu 100 Prozent vom Land finanzierten Programmen in der kulturellen Bildung setze NRW jetzt den Startschuss für die Honoraruntergrenzen: "Kultur und Schule" sowie "Künstlerinnen und Künstler in die Kita". Dadurch gebe es zunächst keinen Absprachebedarf mit Co-Finanzierern, erklärte Brandes. "Wir setzen Standards." Sie gehe davon aus, dass auch Stiftungen dem Modell folgen würden.
Millionen-Vorsorge für höhere Honorare
Die gewollte Erhöhung der Honorarsätze wirke sich natürlich auch auf den Haushalt aus. Zwar werde ihr Kulturetat insgesamt nicht angehoben, sagte die Ministerin. Sie habe aber sowohl für das laufende als auch für das nächste Haushaltsjahr Vorsorge getroffen. 2025 seien für die Einführung der Honoraruntergrenze 1,6 Millionen Euro eingeplant. Im Sommer 2025 werde die Einführung fachlich auf den Prüfstand gestellt. Bis 2026 könnten sich dann alle weiteren Akteure darauf einstellen. Die meisten Förderungen werden mit Bund oder auch Kommunen gemeinsam gestemmt.