Labour feiert Erdrutschsieg in Großbritannien - Keir Starmer künftiger Premier
Nach 14 Jahren in der Opposition ist die Labour-Partei in Großbritannien wieder an die Regierung gewählt worden. Bei der Unterhaus-Wahl erreichte die Partei mit ihrem Vorsitzenden Keir Starmer in einem Erdrutschsieg die absolute Mehrheit, wie aus den in der Nacht zum Freitag veröffentlichten Teilergebnissen hervorging. Die konservativen Tories verbuchten demnach das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Der scheidende Premierminister Rishi Sunak gestand am Morgen seine Niederlage ein, Labour-Chef Starmer kündigte eine "nationale Erneuerung" an.
Nach Auszählung beinahe aller Stimmen kam Labour auf 410 Sitze im 650 Sitze fassenden Unterhaus. Damit kommt die Partei nahe an ihr Rekordergebnis von 1997 unter Tony Blair heran, als sie 418 Mandate errungen hatte. Die konservativen Tories von Premierminister Sunak kamen demnach auf 119 Sitze - deutlich weniger als bei ihrem bisher schlechtesten Wahlergebnis aus dem Jahr 1906, als sie 156 Sitze gewannen.
Mit dem Wahlsieg wird Labour-Chef Starmer nun neuer britischer Premierminister. In seiner Siegesrede bei einer Wahlparty im Zentrum Londons sagte der 61-Jährige: "Heute schlagen wir das nächste Kapitel auf - wir beginnen mit der Arbeit des Wandels, mit der Mission der nationalen Erneuerung und dem Wiederaufbau unseres Landes."
Der designierte Premierminister mahnte gleichzeitig, dass der Wechsel nicht über Nacht erfolgen könne. Der künftigen Labour-Regierung stehe "harte Arbeit" bevor. "Es reicht nicht, einen Knopf zu drücken, um ein Land zu verändern", betonte Starmer. Er sprach von einer "veränderten Labour-Partei", die "bereit sei, dem Land zu dienen".
Sunak gestand seine Niederlage ein. Der Tory-Chef nannte das Ergebnis "ernüchternd" und sagte, er übernehme die Verantwortung für das schlechte Abschneiden seiner Partei.
Die oppositionellen Liberaldemokraten konnten ebenfalls deutlich zulegen und errangen den Teilergebnissen zufolge 71 Sitze. Es ist das beste Ergebnis in der Geschichte der Partei; sie löst damit die Schottische Nationalpartei ab, die auf acht Sitze und damit deutlich weniger als bei der vorherigen Wahl kam.
Die einwanderungsfeindliche Partei Reform UK von Brexit-Verfechter Nigel Farage kam auf vier Mandate. Farage selbst gelang bei seinem achten Versuch somit der Einzug ins britische Parlament. Auch die britischen Grünen konnten vier Sitze erlangen.
Bereits zum wiederholten mal zog der ehemalige Vorsitzende der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ins Unterhaus ein. Der 75-Jährige war als unabhängiger Kandidat bei der Wahl angetreten, nachdem Labour ihn wegen Antisemitismus-Vorwürfen aus der Partei ausgeschlosssen hatte. Seit 2020 saß Corbyn, der Labour 2019 in die schlimmste Wahlniederlage in Jahrzehnten geführt hatte, bereits als Parteiloser im Parlament.
In den 14 Jahren der Tory-Regierungen hatten die Britinnen und Briten insgesamt fünf konservative Premiers erlebt - 2022 waren es drei binnen vier Monaten. Liz Truss konnte sich nur 49 Tage im Amt halten - ein Negativrekord.
Vier der fünf letzten konservativen Regierungschefs verloren am Donnerstag ihre Wahlkreise. Die früheren Premierminister und -ministerinnen Boris Johnson, David Cameron, Theresa May und Liz Truss verloren ihre Parlamentssitze an Oppositionskandidaten. Lediglich der scheidende Premier Sunak verteidigte sein Unterhausmandat.
Die Tories hatten vor allem einen Negativ-Wahlkampf geführt, vor Steuererhöhungen durch eine Labour-Regierung gewarnt und ein härteres Vorgehen bei den Themen Migration und Sicherheit angekündigt. Dagegen warb Labour-Chef Starmer für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes.
Nach der deutlichen Wahlschlappe der Tories wird Sunak voraussichtlich am Freitag bei König Charles III. seinen Rücktritt als Premierminister einreichen. Kurz darauf dürfte der Monarch Starmer dazu einladen, als Premierminister die kommende britische Regierung zu führen. Der nächste Stopp für den Labour-Chef ist dann der Amtssitz des Premiers in der Londoner Downing Street Nummer 10, wo er eine erste Rede halten und seine Minister ernennen wird.
Für Starmer, der seine politische Karriere erst vor neun Jahren startete und zuvor als Jurist arbeitete, ist dies ein bemerkenswerter Aufstieg. Sunak, der vor 20 Monaten sein Amt angetreten hatte, ist hingegen der erste amtierende britische Premierminister, der bei einer Parlamentswahl nicht wiedergewählt wurde.
EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Starmer zu dessen "historischem" Sieg. "Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich sind wichtige Partner", schrieb Michel im Onlinedienst X. Er freue sich auf die künftige Zusammenarbeit.