Schiffbau: Einigung auf Eckpunkte zur Restrukturierung der Meyer Werft
Die Traditionsfirma ist in finanziellen Schwierigkeiten. Arbeitnehmer und Unternehmen haben sich auf einen Plan zur Restrukturierung geeinigt. Jetzt ist die Politik am Zug.
Betriebsrat, IG Metall und die Geschäftsführung haben sich auf Kernpunkte der Restrukturierung der angeschlagenen Meyer Werft geeinigt. Die Arbeitnehmerseite stimmte in einer Rahmenvereinbarung dem Abbau von 340 Stellen zu, der möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen umgesetzt werden soll. Die Unternehmensführung akzeptierte die Bildung eines Aufsichtsrats und eines Konzernbetriebsrats. Auch soll der Firmensitz wieder von Luxemburg nach Deutschland verlegt werden, sagten Vertreter von Gewerkschaft, Betriebsrat und der Geschäftsführung bei einer Pressekonferenz in Papenburg.
Bis Ende 2030 soll der Vereinbarung zufolge eine Belegschaftsstärke von mindestens 3.100 Beschäftigten, davon mindestens 1.200 Tarif-Beschäftigten, garantiert werden. Jährlich sollen mindestens 45 Auszubildende und neun Duale Studierende eingestellt werden.
Der Stellenabbau solle in mehreren Stufen erfolgen, erläuterte Betriebsratschef Andreas Hensen. Demnach sollen zunächst 100 befristete Stellen auslaufen, die übrigen Stellen nach Möglichkeit über ein Freiwilligenprogramm abgebaut werden. Die Belegschaft sei am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung informiert worden, sagte Hensen. "Man hat die Anspannung zu Beginn gemerkt, aber auch die Erleichterung zum Schluss."
Werft ist in der Krise
Das für seine Kreuzfahrtschiffe weltbekannte Traditionsunternehmen durchlebt derzeit die schwerste Krise seiner mehr als 200-jährigen Existenz. Bis Ende 2027 müssen mehr als 2,7 Milliarden Euro finanziert werden, davon entfallen auf eine notwendige Erhöhung des Eigenkapitals 400 Millionen Euro, sagte Chefsanierer Ralf Schmitz. Er betonte, dass es bei den restlichen 2,3 Milliarden Euro um die Vorfinanzierung von zwei Schiffsneubauten gehe, für die Bürgschaften des Landes und des Bundes notwendig seien. Es gehe nicht um Subventionen.
Schmitz hatte Ende Mai einen Stellenabbau von mehr als 400 Stellen gefordert. Es sei bei den Verhandlungen gelungen, Vertrauen zwischen beiden Seiten zu gewinnen, sagte er. "Ich habe selten eine so emotionale Situation erlebt. Wir sind an die Grenzen gegangen und haben eine Lösung gefunden, die auch verträglich ist."
Das Unternehmen habe noch einen langen Weg vor sich, sagte Schmitz. Es müsse profitabler werden, das Ergebnis müsse sich um 200 Millionen Euro verbessern. "Ich glaube an das Unternehmen, und ich glaube an die Produkte", sagte er. Das sei eine wichtige Voraussetzung für eine Zukunft des Unternehmens.
Große Bedeutung für maritime Wirtschaft
Unternehmenschef Bernd Eikens sagte, die Einigung sei ein wichtiger Baustein für die Zukunft des Unternehmens und der Belegschaft. "Er ist aber auch nur ein Schritt, und in den nächsten Tagen werden weitere Schritte erfolgen müssen", sagte Eikens, der seit vergangenem Dezember an der Spitze des Konzerns steht. Es gehe um die Zukunft des Unternehmens, von Beschäftigten und Zulieferern in der Region und darüber hinaus. Die Familie Meyer habe jahrelang in das Wachstum der Werft investiert. "Heute ist die Bedeutung der Meyer Werft für die Region und den maritimen Standort Deutschland nicht hoch genug einzuschätzen."
Trotz Wettbewerbsnachteilen habe sich die Werft, die vor allem für den Bau von Kreuzfahrtschiffen bekannt ist, international durchsetzen können. Eikens sagte aber auch: "Die Meyer Werft muss und wird profitabler werden. Unser Ziel ist es, besser als unsere Mitbewerber zu werden - auch, was die finanziellen Kennzahlen angeht." Die Aussichten in der Branche für den Kreuzfahrtschiffbau seien gut, es werde ein Wachstum von 6 Prozent im Markt in den nächsten zehn Jahren erwartet, sagte der Manager.
Investoren aus der Branche gesucht
Schmitz sagte, über einen Investorenprozess könne seiner Einschätzung nach erst 2026 oder 2027 gesprochen werden. Für die bis dahin notwendige Eigenkapitalerhöhung müssten Personen oder Institutionen angesprochen werden, die kurzfristig bereit seien, Kapital in das Unternehmen zu geben. Denkbar seien Geldgeber aus der Branche, aber auch aus dem Kundenkreis. Die Werft sei Technologieführerin in der maritimen Wirtschaft und wichtig für die Branche. "Wenn die Meyer Werft nicht mehr da ist, ist das ein Schlag für die maritime Wirtschaft insgesamt", betonte Schmitz. "Wir reden daher von über 20 000 Betroffenen, wenn es bei der Meyer Werft kein gutes Ende nimmt", sagte er.
Gewerkschaft fordert Bekenntnis von Bundesregierung
Die IG Metall forderte ein klares Bekenntnis und Hilfe von der Bundesregierung. "Wir haben uns hier zusammengerauft, wir haben hart gerungen, haben eine vernünftige Einigung bekommen. Trotzdem ist die Werft damit nicht gerettet", sagte Heiko Messerschmidt vom IG-Metall-Bezirk Küste. Dafür sei Hilfe der Bundesregierung nötig. "Jetzt brauchen wir entsprechende Signale aus Berlin, und die müssen sehr, sehr schnell kommen", sagte er. Das sei nötig für den Erhalt der Werft und der Arbeitsplätze.
Gewerkschaft und Beschäftigte seien auch bereit, in Berlin Druck zu machen und "notfalls" auch auf die Straße zu gehen, um die Bedeutung der Meyer Werft zu verdeutlichen. "Es ist eben nicht die Meyer Werft, sondern es ist der Kern des zivilen Schiffbaus, und der darf nicht fallen", sagte Messerschmidt.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sprach von der Chance für einen Neustart. Der CDU-Fraktionschef im Landtag Sebastian Lechner, bezeichnete die Verständigung als einen ersten wichtigen Schritt für den Erhalt der Meyer Werft und damit für den Schiffsbau in Deutschland insgesamt.
Die Inhaberfamilie sicherte zu, den Restrukturierungskurs zu unterstützen. "Die perspektivische Bildung eines Aufsichtsrats tragen wir mit und sind überzeugt, dass es in diesem Gremium eine konstruktive, vorausschauende Zusammenarbeit geben wird", heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme von Firmenpatriarch Bernard Meyer und seinen Söhnen Tim, Jan und Paul, die die Werft verbreitete.