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Hausaufgaben nicht gemacht: Ist diesen EU-Staaten der Klimaschutz egal?

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Hausaufgaben nicht gemacht: Ist diesen EU-Staaten der Klimaschutz egal?

Ihre Klimaziele kann die EU nur erreichen, wenn alle mitziehen. Doch die Gruppenarbeit läuft nicht sonderlich gut. Der 30. Juni hat es wieder mal gezeigt.

So hat sich Ursula von der Leyen die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten bestimmt nicht vorgestellt. Erst Anfang Juni wurde ihr Prestigeprojekt, der Green Deal, praktisch abgewählt. Grüne Politik, das ist Jahre nach den ersten weltweiten Klimaprotesten und in Zeiten von Hitzerekorden, Hochwassern und Waldbränden wohl nicht mehr in. Deutlich wurde das noch mal Ende des vergangenen Monats: Bis zum 30. Juni hatten alle EU-Mitglieder Zeit, ihre nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) einzureichen. Doch das Ergebnis fällt mager aus, zeigt eine stern-Anfrage bei der Europäischen Kommission. Nur vier Länder haben ihre NECP fristgerecht nach Brüssel geschickt.

"Die Kommission fordert alle anderen Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre endgültigen Pläne so bald wie möglich vorzulegen", betont ein Kommissionssprecher in der schriftlichen Antwort. Nur Finnland, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben ihre Dokumente eingereicht.

EU-Kommission mit keinem Klimaplan zufrieden

2018 hatten sich die EU-Länder auf nationale Pläne geeinigt, in denen sie ihre Energie- und Klimapolitik der kommenden zehn Jahre festlegen. Das Instrument soll helfen, die europäischen Klima- und Umweltschutzziele bis 2030 umzusetzen und die Energieversorgung der Union sicherzustellen. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen verglichen mit 1990 um 40 Prozent reduziert und der Anteil erneuerbarer Energien um mindestens 32 Prozent erhöht werden. Die nationalen Energie- und Klimapläne mussten die Staaten wiederholt überarbeiten, damit sie den Anforderungen der europäischen Kommission entsprechen.Klimaziel EU 18:14

Es ist nicht das erste Mal, dass die Staaten ihre Dokumente nicht rechtzeitig oder nur unvollständig vorlegen. Die EU ahndet Versäumnisse bisher mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Staaten werden zunächst ermahnt, bevor sie verklagt und zu einer Geldstrafe verurteilt werden.

Im vergangenen Jahr schaffte es kein Vorschlag aus den Ländern durch den Kommissions-TÜV, weil sich alle Staaten niedrigere Ziele für die erneuerbare Energiegewinnung gesteckt haben als von der EU beschlossen. 69 Prozent des Strommixes sollen 2030 durch die Erneuerbaren gedeckt werden. Die nationalen Pläne der Staaten kommen jedoch nur auf einen Ökostrom-Anteil von 66 Prozent, zeigte eine Analyse der Denkfabrik Ember aus dem vergangenen Jahr.Bremsklötze bei den Klimazielen. Europas Umweltsünder6:27

Für Deutschland kritisierte die Kommission zudem fehlende verbindliche Jahresziele bei der Klimaschutzverordnung. Außerdem bemägelte Brüssel, dass die nötigen Schutzmaßnahmen und deren Effekte nicht ausreichend beschrieben worden seien. Die Bundesregierung sollte ihre Pläne dahingehend anpassen.

Kein EU-Staat ohne Mahnung, die Hälfte vor dem EuGH verklagt

Bisher gibt es kein einziges Land in der europäischen Union, das nicht mindestens fünfmal dazu aufgefordert wurde, Versäumnisse nachzuholen und die eigenen Energie- und Klimapläne zu überarbeiten. Dafür richtet sich die Kommission in einem Schreiben an die jeweils betroffenen Länder. Diese haben zwei Monate Zeit, darauf zu reagieren. Die meisten Verfahren dieser Art sind derzeit für Polen (12), Österreich (12), Bulgarien (11) und Rumänien anhängig. Deutschland wurde zuletzt wegen mangelhaftem Vogelschutz und unzureichenden Lärmaktionsplänen ermahnt. Werden die Rügen ignoriert, folgt ein weiteres Schreiben, das ebenfalls innerhalb von zwei Monaten beantwortet werden muss.

Mahnungen und Klagen der EU gegen Mitgliedsstaaten

Danach schaltet die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof ein. 13 EU-Mitglieder sind derzeit angeklagt, viele davon gleich in mehreren Fällen, beispielsweise Griechenland wegen illegaler Mülldeponien, Polen wegen überschrittener Feinstaubgrenzwerten oder Frankreich wegen unzureichender Förderung der erneuerbaren Energien. Deutschland wurde bisher nur fünfmal ermahnt, aber noch nicht verklagt.

Karte Vertragsverstöße

Die Verfahren dauern in der Regel 20 Monate. Danach drohen Strafzahlungen in Form von Pauschalbeträgen und Zwangsgeldern. Erstere werden einmalig erhoben und decken den Zeitraum vor dem Gerichtsurteil ab. Mit dem Zwangsgeld sollen die Staaten dazu gebracht werden, ihren Pflichten nachzukommen. Der Betrag wird täglich nach dem Urteil gezahlt. Der Tagessatz wird anhand verschiedene Faktoren berechnet. Für Deutschland beträgt er mindestens 14.350, maximal 861.000 Euro.

Länder müssen wohl keine Sanktionen fürchten

Ende Juni 2024 hätten die NECP aller Mitgliedsstaaten in Brüssel liegen müssen. Doch die Mehrheit der Länder hat die Frist gerissen – auch Deutschland. Die finale Fassung werde derzeit noch in der Bundesregierung abestimmt, teilt ein Sprecher des zuständigen Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums auf stern-Anfrage. Die finale Fassung werde diesen Sommer vorgelegt. Wenn genau, ließ der Sprecher allerdings offen.

Dass die 24 verbliebenen Staaten ihre nationalen Pläne innerhalb kürzester Zeit nachreichen, ist eher unwahrscheinlich. Österreich etwa hatte in der letzten Runde nicht einmal einen Vorschlag eingereicht, heißt es von der EU-Kommission. Frankreich hatte bereits angekündigt, dass es angesichts der politischen Lage im Land derzeit unmöglich sei, den finalen Plan vorzulegen.

Allerdings haben die Staaten auch keinen Druck. Denn für ihre Versäumnisse müssen sie zunächst einmal aus Brüssel ermahnt werden. Frühestens in vier Monaten stünde dann eine Klage an. Allerdings ist davon in Brüssel bisher nicht die Rede. Bei einer informellen Tagung des europäischen Rates zum Thema Energie und Umwelt im Juli wolle man die Versäumnisse aller anderen Staaten "als dringliche Angelegenheit ansprechen", teilt der Kommissionsprecher dem stern mit. Länder wie Österreich dürften solche Rügen aber kaum beeindrucken. Ob sich Länder wie Deutschland so unter Druck setzen lassen? Mindestens ungewiss.

Quellen: Europäische Kommission, Bundeswirtschaftsministerium, Europanewsroom, Germanwatch.org.