Probleme in Brüssel: Diese Partner sind selbst der AfD zu extrem
Die AfD will in Brüssel eine neue Fraktion gründen. Doch die Liste der möglichen Partner ist kurz – und voll mit Radikalen. Sogar die AfD zieht jetzt eine Grenze. Rausgeworfen aus der einen Fraktion, auf der Suche nach einer neuen: Die AfD wirbt im EU-Parlament um neue Partner – doch die Suche gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ein zentraler Grund dafür: Die potenziellen Partner, die der AfD noch bleiben, sind selbst ihr in manchen Fragen zu extrem. Die Partei findet sich deswegen in einer absurden Lage wieder. Während die AfD in Deutschland kritisiert, dass andere Parteien sie mit Brandmauern von einer Zusammenarbeit ausschließen wollen, will sie in Brüssel nun selbst eine rote Linie ziehen. Während Rechtsextremismus, Rassismus , Homophobie, Frauenfeindlichkeit und eine große Nähe zu Diktatoren die AfD auch in Brüssel bei ihren künftigen Partnern nicht stören, sieht sie Probleme bei einem in Deutschland besonders sensiblen Thema: Antisemitismus, also Judenhass. Mindestens ein, vermutlich mehrere potenzielle Partner der AfD kämen nach ersten Gesprächen deswegen derzeit für die Bildung einer neuen Fraktion nicht infrage, erfuhr t-online aus dem Umfeld der AfD-Delegation in Brüssel. Buhlen um Einzelabgeordnete auf der Resterampe Die AfD ist auf der Suche nach neuen Partnern, weil sie aus ihrer bisherigen Rechtsaußen-Fraktion "Identität und Demokratie" (ID) auf Betreiben der Franzosen vom Rassemblement National um Marine Le Pen ausgeschlossen wurde. Finaler Auslöser hierfür war ein Interview des in Ungnade gefallenen AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, in dem dieser Hitlers Elite-Kampfeinheit, die SS, verharmlost hatte. Für die AfD wäre die Fraktionslosigkeit ein herber Schlag: Sie verlöre Geld, das an die Fraktionszugehörigkeit gebunden ist, und fiele bei Abstimmungen kaum ins Gewicht. Am alleräußersten rechten Rand des EU-Parlaments muss die AfD nun nach neuen Partnern suchen und statt um große Parteien auch um Einzelabgeordnete buhlen. Denn für die Bildung einer Fraktion in Brüssel braucht es mindestens 23 Abgeordnete aus mindestens sieben unterschiedlichen Ländern. Beide Bedingungen, Mitglieder- wie Länderanzahl, sind zwingend zu erfüllen und stellen die AfD vor einige Herausforderungen. 14 Abgeordnete bringt sie selbst mit, nachdem sie Krah aus ihrer Delegation verbannt hat. Sie ist damit aber mit Abstand die größte Partei unter den möglichen Partnern für eine neue Koalition. Einige aus der Partei warnten unter der Hand bereits vor Wochen davor, man begebe sich mit der Suche unter Fraktionslosen rechts von der ID auf "völlig wahnsinniges" Terrain. Auf der "Resterampe", auf der auch die AfD sich nun befindet, lande man eben nicht ohne Grund. Das bekommt die neue AfD-Delegation unter Leitung von René Aust in Brüssel nun offenbar zu spüren. Judenhasser und Verschwörungstheoretiker Vor allem auf acht Partner hat die AfD in den vergangenen zwei Wochen ihre Hoffnungen gestützt und mit ihnen zum großen Teil bereits Gespräche geführt: die Konfederacja aus Polen (6 EU-Abgeordnete), Vazrazhdane aus Bulgarien (3), Se Acabó La Fiesta aus Spanien (3), SOS Romania (2), Hnutie Republika aus der Slowakei (2), NIKI aus Griechenland (1), Mi Hazánk Mozgalom aus Ungarn (1) sowie die Abgeordnete Sarah Knafo von der französischen Reconquête. Als einer der besseren Partner gilt in AfD-Kreisen noch die junge Partei Se Acabó La Fiesta aus Spanien. Schon das sagt viel: Parteichef Alvise Pérez sammelte seine Unterstützer vor allem durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Falschmeldungen über die sozialen Medien, hetzte gegen Frauen, Migranten und Homosexuelle. Er sei nicht für Reformen angetreten, sondern "um das System zu sprengen", versprach er auf seiner Wahlparty. Vor allem mit Blick auf die Partner aus Osteuropa wird es schnell noch sehr viel extremer – und deutlich antisemitisch. Die größte Hoffnung der AfD ist die Konfederacja aus Polen , die mit sechs Abgeordneten viel fehlendes Personal für die Fraktionsgründung mitbringen würde. Doch die Konfederacja ist bekannt für antisemitische Ausfälle: Bereits bei der EU-Wahl 2019 machte einer ihrer führenden Köpfe, Sławomir Mentzen, Schlagzeilen, als er sagte: "Wir wollen keine Juden, keine Homosexuellen, keine Abtreibungen, keine Steuern und keine Europäische Union." Ein noch größeres Problem dürfte für die AfD Grzegorz Braun sein, der für die Konfederacja ins EU-Parlament einzieht. Er löschte im Dezember 2023 bei einer Veranstaltung im polnischen Parlament zum jüdischen Feiertag Chanukka mit einem Feuerlöscher die Lichter einer Menora, eines siebenarmigen Kerzenleuchters. Im Anschluss bezeichnete er das Judentum als "satanischen Kult". Videos von der antisemitischen Aktion gingen um die Welt, das Entsetzen war groß. Braun aber ließ sich dafür von Parteikollegen beglückwünschen. Nicht viel besser sieht es bei SOS Romania aus: Die Parteichefin und neue EU-Abgeordnete Diana Şoşoacă ist für antisemitische Skandalauftritte bekannt. Noch Mitte Mai leugnete sie im rumänischen Parlament den Holocaust und sprach von einer jüdisch-bolschewistischen Diktatur. Auch sie wird dafür von ihren Anhängern gefeiert, auch in Zukunft ist also eher keine Zurückhaltung zu erwarten. Kein Zurück für Krah Während sich die Suche nach einer neuen Koalition als Tretminenfeld erweist, hat sich in den vergangenen Wochen nach t-online-Informationen aus dem Umfeld der AfD-Delegation eine Erkenntnis verfestigt: Den eigenen Spitzenkandidaten Maximilian Krah gleich nach der EU-Wahl aus der AfD-Delegation auszuschließen, sei richtig und wichtig gewesen. Die Entscheidung soll demnach nicht zurückgenommen werden. Dabei hatte die Brüsseler AfD-Delegation sie auch in der Hoffnung getroffen, vielleicht an einen Tisch mit den Franzosen und der ID zurückkehren zu können. Das ist zwar vom Tisch, Krah aber soll trotzdem verbannt bleiben. Mag er auch andere Hoffnungen kolportieren und seine rechtsradikalen Unterstützer in den sozialen Netzwerken noch so laut auf seine Rückkehr drängen. Im Gespräch mit den Delegationen vom alleräußersten rechten Rand in Brüssel habe sich nämlich herausgestellt: Sogar für manche dieser Parteien sei Krah ein No-Go. Dafür soll es mannigfaltige Gründe geben: vom SS-verharmlosenden Interview, das auch bei europäischen Rechten nicht auf Gegenliebe stößt, bis zu Querelen bei der Zusammenarbeit in der Vergangenheit.