Scholz räumt Vertrauenskrise ein - Europawahl "war ein Einschnitt"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Vertrauenskrise in der deutschen Politik eingeräumt. "Ständige Krisenerfahrungen haben Vertrauen erschüttert, das kann man gar nicht anders sagen", sagte Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Es gebe aktuell einen "Wettbewerb mit dem Populisten und Extremisten, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger für ihre Zwecke missbrauchen", sagte der Kanzler. Die Politik stehe vor der Aufgabe, der Verunsicherung entgegenzuwirken: "Was wir tun müssen ist, die Sicherheit stärken - die Sicherheit im Inneren und Äußeren."
Das Thema Sicherheit werde "klare Priorität" in dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr haben, den die Koalition im Juli vorlegen werde, kündigte Scholz in der Regierungserklärung zu den bevorstehenden Gipfeln von EU und Nato an. "Ohne Sicherheit ist alles nichts - und das werden wir mit dem, was wir hier auf den Weg bringen, auch zum Ausdruck bringen."
Scholz bezeichnete das Ergebnis der Europawahl, bei der seine Partei ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren hatte, als "Einschnitt": Das Ergebnis habe gezeigt, "dass ganz offenbar angesichts all der vielen Krisen vielen die Zuversicht abhanden gekommen ist" sagte er. Daraus folge ein Auftrag an die Regierung: "Wir müssen dort, wo Zuversicht fehlt, sie neu begründen."
Einsparungen im Sozialbereich lehnte Scholz ab, weil dies zu Lasten des gesellschaftlichen Zusammenhalts gehen würde: Es dürfe "keine Einschnitte geben bei der sozialen Gerechtigkeit, bei Gesundheit, Pflege oder Rente". Ziel der Regierung müsse es sein, dass die Wirtschaft wieder schneller wachse - denn der Staat habe mehr Ausgabenspielraum, "wenn der Kuchen wächst".
Seine Koalition werde deshalb gemeinsam mit dem Haushaltsentwurf einen "Wachstumsturbo" mit auf den Weg bringen, sagte Scholz. Dazu gebe es "sehr kollegiale Gespräche in der Bundesregierung", fügte der Kanzler hinzu - und erntete dafür Gelächter von der Opposition.
Eindringlich warnte der Kanzler vor Verteilungsdebatten - der Schwerpunkt müsse viel eher auf der Konjunkturbelebung liegen. Scholz beklagte eine "unglaubliche Ausbreitung des Nullsummen-Denkens". Dieses führe nur "zu Neid und Missgunst und nicht zum Miteinander".